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Süßwasserpolypen: "Verwaiste" Gene prägen Art  
  Deutsche Forscher haben eine Genfamilie entdeckt, die für die Tentakelbildung bei Süßwasserpolypen verantwortlich ist. Diese Erbanlagen gehörten zu den "verwaisten" Genen, deren Funktion bisher unbekannt war.  
"Verwaiste" Gene repräsentierten damit einen eigenen Weg, wie sich artspezifische Merkmale ausprägen, hieß es am Montag auf einer Pressekonferenz der Universität Kiel. Die Entdeckung kann laut Forschern für das Verständnis der Evolution von grundsätzlicher Bedeutung sein.
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Die Studie "A Novel Gene Family Controls Species-Specific Morphological Traits in Hydra" von Thomas Bosch (Zoologisches Institut der Universität Kiel) und Kollegen ist Open-Access-Journal "PLoS Biology" erschienen (6(11): e278 doi:10.1371/journal.pbio.0060278).
->   Zur Studie
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Auch antimikrobielle Eiweiße gefunden
Sie stießen in der Gruppe der "verwaisten" Gene auch auf solche, die antimikrobielle Eiweiße codieren: Diese Moleküle könnten offensichtlich hochwirksam Krankheitserreger ausschalten, die gegen die derzeitigen Antibiotika resistent sind.

"Sie haben mechanische Eigenschaften, die Bakterien killen können", sagte Bosch. Deshalb könne die Entdeckung seiner Forschergruppe bei der Entwicklung neuartiger Antibiotika helfen.
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"Verwaiste" Gene
Die "verwaisten" oder "neuen" Gene sind charakteristisch für eine bestimmte Tiergruppe oder Tierart. Sie kommen jeweils nur in dieser Gruppe vor. Nach Angaben der Kieler Wissenschaftler beträgt ihr Anteil an allen Genen fünf bis zehn Prozent.
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Viele Gene "stammesgeschichtlich konserviert"
Die meisten Gene kommen dagegen in allen Lebewesen gleichermaßen vor, sie gelten als stammesgeschichtlich "konserviert".

Nach vorherrschender Wissenschaftlermeinung unterscheiden sich Tierarten dadurch, dass molekulare Schalter in den einzelnen Arten unterschiedlich an- oder abgeschaltet sind. Die Entdeckung aus Kiel könnte nun einen zweiten Differenzierungsmechanismus offenbart haben.

Es gebe in allen Organismen "verwaiste" Gene, die bisher in der Forschung ignoriert wurden, erläuterte Bosch. Die Kieler Wissenschaftler stellten fest, dass die Übertragung eines "verwaisten" Gens von einer Spezies in eine andere dort ein artspezifisches Merkmal verändert wurde.
Tentakel-Verformungen
 
Bild: Friederike Anton-Erxleben, Universitaet Kiel

Dafür hatten die Forscher die eng verwandten Polypenarten Hydra oligactis und Hydra vulgaris untersucht. Während bei letzterer alle fünf Tentakeln gleichzeitig und symmetrisch wachsen, ist dieses Wachstum bei Hydra oligactis nicht synchronisiert.

Übertrugen die Wissenschaftler die Erbanlage Hym301 von Hydra oligactis auf Hydra vulgaris, wuchsen dieser ebenfalls irreguläre und unsymmetrische Tentakeln.

Bild oben: Links sind die symmetrischen Tentakeln von Hydra vulgaris zu sehen, rechts die durch die Genmanipulation völlig ungeordneten.

[science.ORF.at/APA/dpa, 18.11.08]
->   Arbeitsgruppe von Thomas Bosch
 
 
 
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01.01.2010