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Stress macht entscheidungsschwach  
  Stress beeinträchtigt das Lernvermögen und die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen. Dieser hemmende Effekt kann noch Tage nach einer Stressphase wirksam sein, zeigt eine Studie an Ratten.  
Orientierungslauf im Labyrinth
Kurzfristiger Stress hilft, langfristiger Stress schadet. So lässt sich das Konzept von (gutem) Eu- und (schlechtem) Distress zusammenfassen. Wo allerdings die Grenze zwischen gerade noch kurzen und noch nicht langen Stressperioden liegt, lässt sich nur durch das Experiment bestimmen. Und da erlebt man mitunter die eine oder andere Überraschung.

Das gilt etwa für Versuche, die Lauren Jones durchgeführt hat, eine Psychologie-Dissertantin an der University of Washington. Sie trainierte Ratten an einem Labyrinth mit zwei möglichen Laufrouten. Ziel der Versuche war es, die Tiere zu möglichst raschen Durchläufen zu animieren, was Jones durch einen simplen Trick schaffte.

Sie gab den Ratten untertags wenig zu trinken, bot ihnen aber die Möglichkeit, ihren Durst schlückchenweise zu stillen - und zwar durch zwei kleine Wassergaben, die jeweils nach einer vollendeten Runde in den beiden Wegstrecken platziert wurde.
Gestresste Hirne schwächeln
In Phase eins der Versuche waren beide Wassergefäße gleich, in der zweiten Phase wurde hingegen eines der beiden durch ein dreimal so großes ausgetauscht. Diese Veränderung erkannten die Tiere relativ schnell, wie Jones auf der Jahresversammlung der Society for Neuroscience berichtet: In 35 von 40 Versuchen löschten sie ihren Durst an dem größeren Gefäß.

Deutlich weniger erfolgreich waren Versuchstiere, die zuvor eine äußerst unangenehme Prozedur über sich ergehen lassen mussten. Diese zweite Gruppe von Ratten wurde eine Stunde lang unter Stress gesetzt - durch leichte Stromschläge in unterschiedlichen Intervallen. Das bewirkte, dass sie bei der späteren Orientierungs- und Entscheidungsaufgabe nur mehr in 23 von 40 Versuchen reüssieren konnten.

Einmal kognitiv gehemmt, erholten sich die Tiere auch später kaum, wie weitere Versuche zeigten. Einige Tage später wurde das Procedere (ohne Stress) wiederholt, die Performanz der Tiere verbesserte sich allerdings mit 26 zu 40 nur geringfügig.

"Die gestressten Tiere brauchten länger um zu lernen und konnten ihr Verhalten nicht an das neue Labyrinth anpassen", sagt Lauren Jones. "Anhand dieser Untersuchung kann man sehen, welche Effekte Stress hat und wie er die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt."
Immun durch Mandelkern-K.O.
Jones hat auch die physische Ansatzstelle des Effekts festgemacht. Zwar wusste man schon bisher, dass der sogenannte Mandelkern im Großhirn für die Entstehung von Angst, Erregung und Alarmreaktionen wichtig ist und daher auch etwas mit Stress zu tun hat.

Jones' Versuche bestätigten das allerdings noch klarer, als man angesichts der Komplexität des Gehirns erwarten würde. Sie verabreichte Ratten vor den Experimenten eine Substanz namens Muscimol, die natürlicherweise im Fliegenpilz vorkommt.

Diese setze den Mandelkern der Tiere quasi außer Betrieb und machte sie äußerst unempfindlich gegen die Langzeitwirkung der Stromschläge: Die Tiere schnitten im Orientierungslauf mit Wasserspende so gut ab, als hätte es niemals eine Stress-Episode gegeben. "Was auch immer diese Tiere empfanden," sagt Jones, "sie schienen regelrecht immun gegen Stress zu sein."

[science.ORF.at, 19.11.08]
->   University of Washington Psychology
->   Neuroscience 2008
->   Stress - Wikipedia
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01.01.2010