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Wärmekraftwerk aus Ozeanwasser  
  Aus dem Temperaturunterschied zwischen kaltem Wasser aus der Tiefe der Ozeane und warmem Oberflächenwasser lässt sich Energie gewinnen. Eine der schwierigen Aufgaben dabei ist, das Wasser aus bis zu 1.000 Meter Tiefe emporzupumpen. Der Waffenhersteller Lockheed Martin soll nun im Auftrag des US-Energieministeriums neue Leitungen testen.  
Erneuerbare Energie statt Kampfjet
Lockheed Martin ist eher für Kampfflugzeuge und Waffensysteme bekannt als für Kraftwerke, die erneuerbare Energie nutzen. Nun soll die Firma in einem Projekt einen Kraftwerkstyp testen, an deren Entwicklung sie schon vor 30 Jahren beteiligt war - das Meereswärmekraftwerk.

Im Kraftwerk verdampft flüssiger Ammoniak in den Rohren eines geschlossenen Kreislaufs durch die Temperatur des warmen Oberflächenwassers. Dabei steigt der Druck und der Dampf treibt eine Turbine an. Danach wird er in einem Wärmetauscher durch kaltes Wasser aus der Tiefe gekühlt, wodurch Ammoniak wieder kondensiert.

Die Kühlung dafür liefert das kalte Tiefenwasser. Dieses muss dazu an die Oberfläche gepumpt werden. Die Leitungen, mit denen dies geschieht, sind bis zu 1.000 Meter lang. Bisher baute man die Rohre aus Kunststoffen. Jetzt soll Lockheed Leitungen aus Glasfasern oder Verbundwerkstoffen testen, wie der "New Scientist" berichtet.
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Die Internationale Energieagentur (IEA) hat abgeschätzt, wie viel Strom Kraftwerke liefern könnten, die die Energie aus dem Meer nutzen:
Wellenkraftwerke: 8.000-80.000 Terawattstunden (TWh)/Jahr
Meereswärmekraftwerke: 10.000 TWh/Jahr
Osmosekraftwerke: 2.000 TWh/Jahr
Gezeitenkraftwerke: 200 TWh/Jahr
Zum Vergleich: Der globale Stromverbrauch betrug nach den aktuellsten Zahlen der IEA 15.000 Terawattstunden im Jahr 2005. (Ein Terawatt sind eine Billion Watt.)
->   IEA-Bericht "Renewable Energy: R&D Priorities. Insights from IEA Technology Programmes" (pdf):
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Energieautarkes Hawaii
Laut New Scientist vergibt das US-Energieministerium mit dem Auftrag über 1,2 Millionen US-Dollar erstmals seit zehn Jahren wieder Geld, um Meereswärmekraftwerke zu erforschen. In die Technik wurde schon Ende der 1970er-Jahre investiert. Später hätte der billige Ölpreis das Interesse an den neuen Kraftwerken gedämpft. Mit den steigenden Kosten für Erdöl werde die Technik nun wieder beliebt.

Schon vor 30 Jahren baute Lockheed mit der Firma Makai Ocean Engineering eine Pilotanlage auf Hawaii. Dort soll von den beiden Firmen nun auch das neue Experiment durchgeführt werden. Geplant ist ein Pilotkraftwerk mit zehn bis 20 Megawatt Leistung, das vier bis sechs Jahre lang Strom produzieren soll. Laut Lockheed könnte Hawaii mit Meereswärmekraftwerken innerhalb einer Generation unabhängig von importierter Energie werden.
Bisher nur Pilotanlagen
Größere Kraftwerke zu bauen wird nicht leicht werden. "Für ein 100-MW-Kraftwerk bräuchte man ein Rohr mit neun Meter Durchmesser und 1.000 Meter Länge. Daran zerrt die Meeresströmung. Wie will man das verankern?", fragt Reb Bellinger von Makai Ocean Engineering im "New Scientist". Dennoch glauben manche Experten an Meereswärmekraftwerke mit einer Leistung von 500 Megawatt. Zum Vergleich: Das Kraftwerk Freudenau hat eine Leistung von bis zu 170 Megawatt.

Das Kraftwerk kann dabei an Land stehen oder auf dem Meer treiben. Der Vorteil der schwimmenden Anlagen ist, dass man wesentlich größere Gebiete zur Energiegewinnung nutzen könnte. Der Temperaturunterschied zwischen dem Oberflächenwasser und dem Wasser in 1.000 Meter Tiefe sollte 20 Grad Celsius betragen, damit große Mengen an Energie gewonnen werden können. Solche Temperaturunterschiede findet man in großen Gebieten des Pazifiks, Atlantiks und des indischen Ozeans.
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Schwerpunkt Energiegesellschaft
Die Initiative Risiko:dialog von Radio Österreich 1 und dem Umweltbundesamt widmet sich derzeit dem Thema Ressourcen. Bis März 2009 gibt es den Dialogschwerpunkt Energiegesellschaft, im Frühjahr 2009 eine BürgerInnenkonferenz. Im Zuge des Schwerpunkts erscheinen in science.ORF.at zirka alle zwei Wochen Beiträge zum Thema Energie.
->   Risiko:dialog
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120 Jahre alte Idee
Die Idee des Meereswasserkraftwerks stammt vom französischen Physiker Jacques-Arsène d'Arsonval. Schon 1881 hat er vorgeschlagen, die thermische Energie der Ozeane zu nutzen. Nach diesem Prinzip kann jedoch nicht nur Strom produziert werden. So kühlt etwa Toronto im Sommer seine Gebäude mit der Kälte des Wassers vom Grund des Ontario-Sees.

Zu erforschen gibt es rund um Meereswärmekraftwerke noch genug. Die Wärmetauscher müssen effizienter werden; Algen und Meerestiere, die sich an den freischwimmenden Kraftwerken festsetzen, stören den Betrieb. Und die Kraftwerke müssen auch in stürmischen Zeiten überleben. Einem indischen Kraftwerk im Golf von Bengalen soll vor einigen Jahren zweimal das Rohr abhanden gekommen sein, mit dem das kalte Wasser aus der Tiefe gepumpt wurde.

Mark Hammer, science.ORF.at, 24.11.08
->   New Scientist
->   OTEC News (Ocean Thermal Energy Conversion)
->   Infoseite des National Renewable Energy Laboratory
->   Makai Ocean Engineering
->   Lockheed Martin
->   Alle Beiträge zum Schwerpunkt Energiegesellschaft:
Mehr zu dem Thema auf ORF.at:
->   Gigantische "Schlange" erzeugt in Schottland Strom
->   Energiegewinnung aus Seewasser-Wärme
 
 
 
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01.01.2010