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Echsen erzielen per Liegestütz Aufmerksamkeit  
  Es gibt viele Möglichkeiten, sich in einer lauten Umgebung Gehör zu verschaffen: Festredner klopfen an ihr Glas, Lehrer schlagen mit dem Lineal auf ihren Katheder und im Notfall hilft auch ein lauter Schrei. Dass auch Tiere - in diesem Fall eine Echsenart - für diesen Zweck eigene Signale verwenden, zeigt eine aktuelle US-Studie.  
Bevor diese nämlich die eigentliche Information mit speziellen Kopfbewegungen kommunizieren, machen sie auffällige Liegestütze, ausschließlich um die Aufmerksamkeit ihrer Artgenossen auf sich zu lenken - allerdings nur bei schlechten Sichtbedingungen.
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Die Studie "Alert signals enhance animal communication in 'noisy' environments" von Terry J. Ord und Judy A. Stamp ist in der aktuellen Ausgaben der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (Bd. 105, 24. November 2008, DOI: 10.1073/pnas.0807657105) erschienen.
->   Studie
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Störungsfreie Kommunikation
Für eine funktionierende soziale Kommunikation ist es notwendig, dass Signale erfolgreich übertragen werden und beim Empfänger auch ankommen. Dies ist unter anderem von Störungen in der Umgebung abhängig, wie etwa Lärm bei akustischer Informationsvermittlung oder aber schlechte Sicht bei gestischen Formen der Interaktion.

Die Wissenschaft beschäftigt sich schon länger damit, wie Tiere mit derartigen Störfaktoren umgehen. Aus der Signalentdeckungstheorie weiß man laut den Autoren der aktuellen Studie, dass einfache, informationsarme Signale weniger beeinträchtigt werden als komplexe, inhaltreiche Komponenten.
Einleitende "Alarmsignale"
Eine mögliche Strategie, Verständigungsprobleme, die durch Umweltstörungen verursacht werden zu verhindern, wäre es demnach, die Interaktion mit einem auffälligen ausschließlich "alarmierenden" Signal zu beginnen. Und zwar noch bevor die eigentliche Information weitergegeben wird.

Es gibt laut den Forschern rund um Terry Ord von der Harvard University einige Beispiele aus der Tierwelt, die auf eine derartige Strategie hindeuten, wie etwa die einfachen Eröffnungstöne mancher Vogelgesänge, die niederfrequenten Startlaute von Froschrufen oder das Bellen von Kojoten vor dem Heulen. Dennoch gebe es dafür kaum empirische Belege.
Liegestütze erzielen Aufmerksamkeit
 
Bild: Terry Ord

Ein männlicher Echse kommuniziert seine Territorialansprüche nach fünf einleitenden Liegestützen.

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler nun die Interaktion der in Puerto Rico lebenden Echsenart Anolis gundlachi beobachtet. Die männlichen Tiere zeigen ihren Territorialanspruch gegenüber Nachbarn oder Eindringlingen durch ihr artspezifisches Verhalten: Ruckartige Kopfbewegungen und das Aufblähen einer färbigen Wamme, so nennt man eine Hautfalte an der Kehle.

Dabei stellten die Forscher fest, dass die Tiere diese Kommunikationssignale oft mit einer Serie von übertriebenen Liegestützen einleiten, vor allem bei dämmrigen Lichtverhältnissen oder optischen Störungen, wie etwa wehende Blätter oder wandernde Sonnenstrahlen.

Daraus schließen die Forscher zweierlei: Diese einleitenden Bewegungen dienen ausschließlich dazu, unaufmerksame "Zuhörer" zu erreichen. Und die Echsen verwenden diese doch auch energieraubenden Signale nur bei störenden Umweltbedingungen.
->   Video der Echse im Liegestütz (wmv-Datei)
Roboter-Echsen führten zur selben Reaktion
 
Bild: Terry Ord

Eine Roboter-Echse zeigt typische Gesten der Anolis gundlachi nach neun Alarm-Liegestützen.

Zur Überprüfung ihrer Thesen führte das Team rund um Ord in der Folge zusätzliche Experimente mit naturgetreu nachgebildeten Roboter-Echsen durch, da sich im Gegensatz zu akustischer Kommunikation bei Körpersprache keine Aufzeichnungen verwenden lassen.

Die falschen Tiere mit unterschiedlichen einprogrammierten Bewegungssequenzen wurden im Wald aufgestellt, während die Forscher die dort lebenden Nachbarechsen beobachteten. Danach analysierten die Biologen über 300 dieser Reaktionen.
->   Video der Roboter-Echse im Liegestütz (wmv-Datei)
Umweltbedingungen werden berücksichtigt
Ihre Schlussfolgerung: Die Echsen der Art Anolis gundlachi reagieren tatsächlich auf die Liegestütze. Die "Zuhörer" waren durch diese einleitenden Signale bei schlechten Lichtbedingungen oder bei großer Distanz deutlich aufmerksamer und reagierten auch besonders schnell.

Laut den Wissenschaftlern können die Tiere offenbar abschätzen, ob Umweltbedingungen ihre Informationsvermittlung beeinträchtigen könnte, und wenden dann je nach Bedarf die "Alarmsignale" an.

[science.ORF.at, 25.11.08]
->   Terry J. Ord
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
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01.01.2010