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Schnecke nutzt Sonnenenergie mit gestohlenem Gen  
  Dass die Seeschnecke Elysia chlorotica ein besonderes Lebewesen ist, war schon bisher bekannt: Das Tier frisst bestimmte Algen und übernimmt dann deren Fähigkeit zur Photosynthese.  
Damit dieses einmalige "Sonnenkraftwerk" aber auch wirklich funktioniert, bedarf es eines Gentransfers von der Pflanze in die Schnecke, berichten Mary Rumpho von der University of Maine und Kollegen in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (Bd. 105, S. 17867).
Ein Jahr lang ohne Nahrung
Rumpho ist eine Expertin für die grüne, schleimige und rund drei Zentimeter lange E. chlorotica, die u.a. vor der Atlantikküste der USA lebt. Von deren speziellen Fähigkeiten hat sie sich schon in früheren Studien überzeugt.

Die Seeschnecke ist nämlich in der Lage, die Chloroplasten - also die für Photosynthese zuständigen Organellen - gefressener Algen derart in den eigenen Körper zu integrieren, dass sie sie selbst zur Energieversorgung nutzen kann.

Frühere Experimente haben gezeigt, dass junge, mit Algen gefütterte Exemplare bis zu einem Jahr lang ohne weitere Nahrungszunahme leben können.
Horizontaler Gentransfer
Bild: PNAS/Mary S. Tyler
Die Seeschnecke mit den
grünen Chloroplasten im Inneren
Eines blieb aber bisher ungeklärt, erzählte Rumpho der Online-Ausgabe des "New Scientist". Chloroplasten beinhalten nur die DNA für rund zehn Prozent jener Proteine, die für ihr Funktionieren verantwortlich sind. Die restlichen Gene befinden sich im Zellkern der Algen. "Die Frage war also, wie diese Gene in einem Tier funktionieren, dem all die Proteine fehlen."

Um das zu überprüfen haben die Forscher Vaucheria litorea, eine Algenart sowie Lieblingsspeise der Seeschnecken, genauer untersucht und deren Chloroplastengene sequenziert.

Das Resultat verglichen sie mit Körperzellen des Tieres. Und siehe da: Da wie dort befand sich ein gleiches Gen, die Schnecke hat sich die DNA-Sequenz also höchst erfolgreich ausgeborgt oder "gestohlen". Horizontaler Gentransfer heißt das in der Fachsprache.
Verdauung oder Virus?
Wie dieser vor sich gegangen ist, weiß das Forscherteam um Mary Rumpho noch nicht. Eine Vermutung: Das Algen-Gen wird beim Verdauungsprozess freigesetzt und dann in die DNA der Seeschnecke übernommen. Dadurch könnte sie die notwendigen Proteine produzieren, die die Chloroplasten am Laufen halten.

Vielleicht liegt es aber auch einem Virus, das die Wissenschaftler entdeckt haben, und das als Überträger der DNA in Frage kommt. Beweise gebe es dafür bisher aber keine.
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Fähigkeit vererbbar
Eine weitere Überraschung hielt die Untersuchung der Geschlechtszellen von E. chlorotica bereit. Denn auch hier fanden die Forscher das Algen-Gen - was bedeutet, dass die Schnecken die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Chloroplasten vererben können.
->   Elysia chlorotica (Sea Slug Forum)
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Keine menschlichen Hybriden
Funktioniert der beobachtete Gentransfer zwischen Pflanzen und Tieren auch bei anderen Lebewesen? Wird dereinst vielleicht auch einmal der Mensch fähig sein, aus Licht Energie zu gewinnen und damit die Ölkrise endgültig vergessen machen?

Mary Rumpho hält nichts von derartigen Science-Fiction-Szenarien. Bei unserer Spezies ist Photosynthese wie bei den Seeschnecken schon aus rein pragmatischen Gründen ausgeschlossen: "Unser Verdauungstrakt würde alles zerlegen - die Chloroplasten und die DNA", meinte sie gegenüber dem "New Scientist".

[science.ORF.at, 25.11.08]
->   Mary Rumpho, University of Maine
->   New Scientist
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Forscher bauten Solarkraftwerke der Pflanzen nach
->   Wasserstoffanbau: Grünalgen als Energiequelle
->   Photosynthese-Gene in Bakterien sequenziert
 
 
 
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01.01.2010