News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Wertvolles Fliegenerbe
Neue RNA blockiert Sterilität
 
  US-Forscher haben Moleküle entdeckt, mit deren Hilfe Fruchtfliegen Sterilität vermeiden. Das Besondere daran: Sie werden direkt an die Nachkommen weitergegen - die DNA bleibt bei diesem Vererbungsweg außen vor.  
Lamarck revisited
Etwas mehr als einen Monat dauert es noch, bis das Darwin-Jubiläumsjahr beginnt. An der Forschungsfront taucht indes nun ein Ergebnis auf, das nicht so recht in die herkömmlichen Kategorien des Darwinismus passen will. Gemeint ist die Vererbung erworbener Eigenschaften - ein Konzept, das vom französischen Naturforscher Jean Baptiste de Lamarck entworfen und später von Darwins Selektionstheorie verdrängt wurde. Dennoch gibt es hin und wieder Fälle, in denen Lamarck rückblickend durchaus recht gegeben werden kann.

Ein solcher ist etwa die jüngste Entdeckung von Gregory J. Hannon. Der Molekularbiologe vom Cold Spring Harbor Laboratory berichtet in der aktuellen Ausgabe von "Science" (Bd. 322, S. 1387) von einem neuen Molekültyp, der das klassische Bild von Mutation und Selektion zwar nicht widerlegt, aber immerhin substanziell erweitert. Hannon und seine Kollegen fanden in Fruchtfliegen eine Form der RNA, piRNA genannt, die von Fruchtfliegenweibchen direkt an ihre Nachkommen weitergegeben werden und die Aktivität von Genen beeinflussen.
"Eine genetische Immunität"
Dass es eine Vererbung ohne direkte Beteiligung der DNA gibt, wusste man schon länger: Epigegentik heißt jenes Fachgebiet, das sich mit den "über" den üblichen Vererbungswegen angesiedelten Phänomenen beschäftigt. Die neu entdeckten piRNAs werden in den Geschlechtsorganen ihrer Träger aktiv und legen Gene still, die eine unerwünschte Eigenschaft, nämlich Unfruchtbarkeit, auslösen.

"Das ist eine völlig neue Art und Weise, wie Erblichkeit zwischen den Generationen übermittelt wird", sagt Gregory J. Hannon und zieht eine überraschende Parallele zum Immunsystem: "Wir haben viele Wege entwickelt, um die Immunität der Mutter mittels Antikörper auf das Kind weiterzugeben" - etwa, indem schützende Antikörper durch die Plazenta in den Fötus oder durch die Muttermilch in das Neugeborene einwandern.

"Nun haben wir einen Weg entdeckt, auf dem Immunität gegen Sterilität von der Mutter an das Kind weitergegeben wird. Das gilt zunächst nur für Fruchtfliegen, aber vielleicht ist das auch bei anderen Lebewesen der Fall."
Altes Fliegenrätsel gelöst
Die Entdeckung erklärt jedenfalls, warum die Kreuzung unterschiedlicher Fliegenstämme zu Problemen führen kann. Schon früher fiel Fruchtfliegenforschern auf, dass im Labor gezüchtete Fliegenweibchen mit Männchen aus der freien Wildbahn sterile Nachkommen haben - im umgekehrten Fall aber nicht.

Der Grund dafür ist, dass frei lebende Fruchtfliegen mitunter "springende Gene", sogenannte Transposons, im Erbgut tragen, die Unfruchtbarkeit auslösen. Die piRNAs sind offenbar das probate Gegenmittel, sie legen die störenden Gen-Parasiten einfach still. Davon profitieren allerdings nur die Weibchen - die betroffenen Männchen marschieren schnurstracks in eine evolutionäre Sackgasse.

Robert Czepel, science.ORF.at, 28.11.08
->   Science-Podcast zur Studie
->   Gregory J. Hannon
->   Epigenetik - Wikipedia
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Mütterliche Ernährung prägt die Enkel
->   Prionen steuern Gedächtnis von Fruchtfliegen
->   Fliege trägt gesamte Erbinformation eines Bakteriums
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010