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Ende der Neandertaler: Mitochondrien schuld?  
  Die Neandertaler könnten wegen ineffizienter Zellkraftwerke ausgestorben sein. Das behauptet ein britischer Molekularbiologe, der das Erbgut in den Neandertaler-Mitochondrien analysiert hat.  
Technologisch unterlegen?
Hypothesen zum Aussterben der Neandertaler gibt es viele, wirklich beweiskräftig wurde aber noch keine von ihnen belegt. Eine besagt etwa, der Homo neandertalensis sei dem Homo sapiens kulturell unterlegen gewesen. Demnach sei das Verschwinden der Neandertaler vor rund 30.000 Jahren auf technologischen Konkurrenzdruck zurückzuführen.

Eine andere, kürzlich im "Journal of Human Evolution" (Bd. 56, S. 1) geäußerte Vermutung besagt, dass der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Menschenarten in der körperlichen Begabung für Präzisionswürfe bestanden habe.

Der moderne Mensch habe Speere und Steine erfolgreich bei der Jagd verwendet und sogar gegen seinen etwas behäbigeren Konkurrent eingesetzt. Hinweise darauf will man jüngst an den Skeletten beider Arten gefunden haben.
Klimahypothese in Varianten
Und dann gibt es noch die berühmte Klimahypothese: Sie sieht den Niedergang der Neandertaler als Resultat des Klimawandels an, Homo sapiens sei demnach schlichtweg besser mit den widrigen Bedingungen während der letzten Kaltzeit zurande gekommen. Patrick Chinnery vo der Newcastle University bringt nun eine neue Variante der Klimahypothese ins Spiel, nur stellt er die bisher übliche Argumentation auf den Kopf.

Er geht davon aus, dass der Neandertaler besonders gut an die Kälte angepasst war - genau das sei ihm aber später zum Verhängnis geworden. Zu diesem Schluss kommt er aufgrund der Analyse von Zellkraftwerken, den Mitochondrien eines Neandertalers, wo Chinnery eine bestimmte Gensequenz gefunden hat, die sich von jener der modernen Menschen unterscheidet.

Sie weise darauf hin, dass die Mitochondrien des Neandertalers mehr Wärme als chemisch verwertbare Energie (in Form des Moleküls ATP) produziert hätten, berichtete Chinnery kürzlich auf dem Jahrestreffen der US-amerikanischen Gesellschaft für Humangenetik.
In Warmzweiten unangepasst
Seine Folgerung: Das mag in Kaltzeiten zwar von Vorteil gewesen sein, ab dem Zeitpunkt aber, da das Klima zwischen wärmeren und kälteren Perioden geschwankt habe, seien die energieeffizienteren Mitochondrien des Homo sapiens deutlich überlegen gewesen. Chinnery räumt aber ein, dass er die besagte Gensequenz bisher erst bei einem Individuum gefunden habe.

Ob an der Hypothese etwas dran ist, müssen nun Genvergleiche mit anderen Zellproben zeigen. Die Neandertaler-Genom-Spezialisten des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig geben bereits grünes Licht: Derartige Untersuchungen auf breiter Front seien mittlerweile kein Proble mehr, sagen sie.

[science.ORF.at, 1.12.08]
->   Patrick Chinnery
->   American Society of Human Genetics Annual Meeting
 
 
 
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01.01.2010