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Bakterien entgiften tödliche Meereswolken  
  Meeresbiologen haben das Auftreten von Schwefelwasserstoff im Meer vor Namibia untersucht. Dabei fanden sie Bakterien im Wasser, die auf einer Fläche von 7.000 Quadratkilometern - fast dreimal so groß wie Luxemburg - die giftige Verbindung abbauten. Bisher war unklar, auf welche Weise genau das Gift aus dem Wasser wieder verschwindet.  
Von ihrer überraschenden Beobachtung berichtet ein internationales Forscherteam, darunter Marc Mußmann vom Department für Mikrobielle Ökologie der Universität Wien.
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Die entsprechende Studie "Detoxification of sulphidic African shelf waters by blooming chemolithotrophs" ist am 10.12.08 online in "Nature" erschienen (doi: 10.1038/nature07588).
->   Abstract der Studie
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Besonders tödliches Gift
 
Bild: Jacques Descloitres, MODIS Rapid Response Team, NASA/GSFC

Verfärbtes, türkises Oberflächenwasser vor Namibia

Schwefelwasserstoff (H2S) entsteht da, wo organisches Material verfault - etwa wenn Bakterien am Meeresboden fast ohne Sauerstoff abgestorbene Algen abbauen.

"Schwefelwasserstoff ist giftig für höheres Leben und tötet Fische, Krabben und sogar Hummer schon in niedrigen Konzentrationen", erläuterte der Meeresbiologe Marcel Kuypers vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. "Er ist zehn Mal toxischer als Zyanid."

Damit sind die Schwefelwasserstoffwolken im Meer auch ein Problem für die Fischerei, und ihr Auftreten wird sogar mit Satelliten überwacht.
Abbau durch Nitrate
Mit Sauerstoff kann Schwefelwasserstoff sich zu ungiftigem Sulfat verbinden. Im Wasser über der am Meeresboden schwebenden Schwefelwasserstoffwolke entdeckten die Mikrobiologen auch Sauerstoff, doch er kam nicht mit der Wolke in Berührung. Dazwischen lag eine Schicht, die weder Schwefelwasserstoff noch Sauerstoff enthielt, dafür aber Nitrat.

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass das Gift ohne Sauerstoff abgebaut wird - und zwar von Bakterien. Darauf weist das Nitrat im Wasser hin.

"Viele Bakterien brauchen zum "Atmen" keinen Sauerstoff, sondern nutzen stattdessen Nitrat", erklärte Kuypers' Institutskollege Torben Stührmann. Mit Hilfe des Nitrats verwandelten die Mikroorganismen den Schwefelwasserstoff in feine Schwefelpartikel oder Sulfat und retten den Meerestieren so das Leben.
Wolke treibt Tiere an die Meeresoberfläche
 
Bild: Max-Planck-Institut f¿r marine Mikrobiologie

Grindwale umschwimmen das Forschungsschiff "A. v. Humboldt". Die giftige Sulfidwolke im Tiefenwasser treibt alle schwimmenden Lebewesen an die Meeresoberfläche. Daran weiden sich Wale und Delphine ebenso wie Seehunde, Kalmare und riesige Fischschwärme.

Letztere ziehen Seevögel an, die zahlreich über dem Gebiet kreisen. "Noch nie habe ich so viele Meerestiere an einem Fleck gesehen wie über der Sulfidwolke", sagt Fahrtleiter Ulli Lass in einer Aussendung der Max-Planck-Gesellschaft.
Immer mehr Schwefelwasserstoffwolken
Zugleich zeigten die Erkenntnisse jedoch, dass große Schwefelwasserstoffwolken am Meeresboden wahrscheinlich häufiger auftreten als angenommen, schreiben die Forscher.

Denn nur die Wolken, die als Schwefel bis an die Wasseroberfläche gelangen, sind auf Satellitenaufnahmen als weißlich-türkise Verfärbung deutlich erkennbar, tiefer liegende Wolken dagegen nicht.

Die Klimaerwärmung und die von Menschen verursachte Überdüngung der Meere führtenaußerdem dazu, dass der Sauerstoff im Wasser knapper werde. Dadurch steige die Gefahr von Schwefelwasserstoffwolken.

[science.ORF.at/dpa, 11.12.08]
->   Marc Mußmann, Universität Wien
->   Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Bremen
->   Sulfide (Wikipedia)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Erhitzte Meere können Massensterben auslösen
->   Tödliche Giftwolken vor Namibia im Forscher-Visier
 
 
 
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01.01.2010