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Meeresschildkröten: Kraftraubender "Sprint" ums Überleben  
  Für frisch geschlüpfte Meeresschildkröten sind die ersten Stunden ihres Lebens auch die gefährlichsten. Nachdem sie das an Land abgelegte Ei verlassen haben, müssen sie zuerst die Gefahren an Festland überstehen und dann den auf Beute lauernden Fischen in Strandnähe entkommen. Mit einem atemraubenden "Sprint" versuchen sie daher, möglichst schnell das sichere tiefe Wasser zu erreichen. Ein australischer Biologe hat nun den Energieumsatz in dieser ersten Schwimmphase der kleinen Tiere genau analysiert.  
Dabei stellte er fest, dass die Energiereserven der Meeresbewohner weit über den benötigten Bedarf hinaus gehen.
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Die Studie "Swimming for your life: locomotor effort and oxygen consumption during the green turtle (Chelonia mydas) hatchling frenzy" von David T. Booth ist im "Journal of Experimental Biology" (12. Dezember 2008, DOI: 10.1242/jeb.019778) erschienen.
->   Zur Studie
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Hohes Risiko, gefressen zu werden
Für seine experimentelle Studie beobachtete David Booth von der University of Queensland Suppenschildkröten (Chelonia mydas) auf einem Brutplatz auf Heron Island am südlichen Ende des Great Barrier Reef in Australien. Die Jungtiere dort haben ein relativ hohes Risiko die ersten Momente ihres Lebens nicht zu überstehen, sprich gefressen zu werden. Im Durchschnitt fallen etwa 30 Prozent der frischgeschlüpften Meeresschildkröten Räubern zum Opfer.

Nach dem Legen der Eier sammelte der Forscher einige Gelege ein, um sie am Rande des Nistplatzes vor eventuellen Räubern oder anderen eierlegenden Müttern in Sicherheit zu bringen. Einige Monate später - nach dem Ausbrüten der Eier durch die Sonne - kehrte er zum Strand zurück.
Kopfüber drauflos
Nach dem Schlüpfen der Schildkröten holte er ein paar Tiere aus der Brut, noch bevor sie das Wasser erreichten, und brachte sie zur nur hundert Meter entfernten Forschungsstation. Er steckte die Jungen in einen Schwimmanzug aus Lycra. Dieser war mit einem Gürtel versehen, der direkt mit einem Kraftmaßglied verbunden war.
Danach setze er die Tiere in ein mit Meerwasser gefülltes Becken: Wie verrückt schwammen diese kopfüber mit Hilfe ihrer großen Vorderpaddeln los. Gleichzeitig wurde der Sauerstoffverbrauch gemessen, um festzustellen, wie sehr sich die Tiere in den ersten 18 Schwimmstunden anstrengten.
Zuerst rascher, dann gradueller Leistungsabfall
Der Forscher zeichnete die Schwimmaktivitäten von fünf Suppenschildkröten aus fünf verschiedenen Gelegen auf. Die Leistung - gemessen als Schubkraft - ließ sich in unterschiedliche Phasen einteilen und nahm mit der Zeit ab. Demnach "hasteten" die Tiere besonders in der ersten Phase in der kraftraubenden "Kopfüber"-Technik voran, nur wenn sie Luft holen mussten, wechselten sie in einen etwas gemütlicheren Paddelstil. Erst nach und nach wurden sie immer langsamer.

Außerdem maß Booth, mit welcher Kraft die Jungtiere am Kraftmaßglied zogen. Laut den Forschern starteten sie mit einem Schubkraft von 45 Millinewton, fielen aber schon in der ersten halben Stunde auf 35 Millinewton ab. Danach folgte ein weiterer gradueller Abfall bis sich die Kraft nach etwa 12 Stunden bei 20 Millinewton einpendelte.

Laut Booth verhielt es sich auch mit dem Sauerstoffverbrauch recht ähnlich. In der ersten halben Stunde fiel er rapide, danach graduell, um nach etwa 12 Stunden konstant zu bleiben.
Mehr als ausreichend Überlebensreserven
Insgesamt verbrauchten die Schildkröten laut Studie in diesen 18 aufgezeichneten Stunden durchschnittlich 4,79 Kilojoule. Demnach hätten die Tiere noch genug Reserven für längere Schwimmzeiten in den Überresten ihres Dottersacks, nämlich etwa zehn Mal so viel, wie sie benötigen, um das sichere tiefe Wasser zu erreichen.

Nach Booth Schätzung könnten sie sogar 14 Tage im offenen Meer überleben, ohne Nahrung zu sich zu nehmen.

[science.ORF.at, 12.12.08]
->   Suppenschildkröte (Wikipedia)
->   David T. Booth
->   Heron Island Research Station
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Wie Lachse nach Hause finden (2.12.08)
->   Frühe Schildkröten waren nur unten gepanzert (26.11.08)
->   Älteste Wasserschildkröte kommt aus Schottland (19.11.08)
 
 
 
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01.01.2010