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Pferde erkennen ihre Freunde am Wiehern  
  Auch für das Zusammenleben von Pferden kann es mitunter wesentlich sein, Freund und Feind zu unterscheiden. Eine britische Studie zeigt nun, dass sie - ähnlich wie Menschen - konkrete Individuen innerhalb ihrer Gruppe nicht nur aufgrund ihres Aussehens, sondern sogar am Wiehern erkennen.  
Erstaunlich für die Forscher ist vor allem die Tatsache, dass die Tiere den einzelnen Mitgliedern ihrer Herde mit Hilfe unterschiedlicher Sinnesreize eine einheitliche Identität zuordnen.
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Die Studie "Cross-modal individual recognition in domestic horses (Equus caballus)" von Leanne Proops et al. ist in der aktuellen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (16. Dezember 2008, DOI:10.1073/pnas.0809127105) erschienen.
->   Zur Studie
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Verschiedene Reize ergeben ein Gesamtbild
Soziale Wesen erkennen nicht nur ihresgleichen, sondern ganz konkrete Individuen. Menschen verwenden dafür unterschiedliche Sinneseindrücke: das Aussehen, den Geruch, die Stimme. Alles zusammen ergibt sozusagen das geistige Gesamtbild einer bestimmten Person. Ein einziges Signal reicht meist zur Wiedererkennung, alle anderen Details werden automatisch abgerufen.

Auch bei vielen Tieren geht man laut den Forschern rund um Leanne Proops davon aus, dass sie zumindest bis zu einem gewissen Grad fähig sind, artverwandte Individuen zu erkennen. Empirische Belege und Kenntnisse über die zugrunde liegenden kognitiven Mechanismen gebe es demnach aber wenige.
Erwartungshaltung der Pferde getestet
Für ihre aktuelle Studie haben die Wissenschaftler vom Centre for Mammal Vocal Communication Research der University of Sussex, das Verhalten von 24 Pferden analysiert. In der Versuchsanordnung sahen die Tiere zuerst jeweils ein oder zwei Pferde ihrer Herde, welche dann hinter einer Abdeckung verschwanden.

Nach mindestens zehn Sekunden Pause hörten die Tiere lediglich das Wiehern eines Pferdes. In einem Fall passte die Stimme zu einem der zuvor gezeigten Tiere, im zweiten Fall war es die Stimme eines anderen Herdenmitglieds.

Die Idee dahinter: Der erste Stimulus - also das sichtbare Pferd - führt zu einer Art geistiger Erwartungshaltung. Entspricht der zweite Stimulus nicht dieser tierischen Annahme, führt das zu Irritationen beim Versuchspferd, so die Vorhersage der Forscher.
Kognitives Bild individueller Artgenossen
Tatsächlich reagierten laut den Forschern die Pferde schneller und sahen länger in die Richtung des Wieherns, wenn der Klang dem zuvor Gesehenen widersprach. Das zeige, dass die inkongruente Kombination die Erwartungshaltung störte.

Nachdem der optische Stimulus während der Präsentation des akustischen Reizes nicht präsent war, heißt das für das Team rund um Proops, dass die Tiere in irgendeiner Form ein komplettes kognitives Bild des anderen Pferdes und seiner Eigenschaften haben müssen, auf das sie zurückgreifen können.

Das sei der erste empirische Nachweis, dass auch Tiere derartige Vorstellungen besitzen, die auf unterschiedlichen Sinneseindrücken beruhen - eine Fähigkeit, die man ursprünglich nur Menschen zusprach.
Neurologische Hinweise
Laut den Forschern liefern auch neuere neurologische Untersuchungen Hinweise darauf, dass sowohl optische als auch akustische Reize spezifische Aktivierungsmuster im auditiven Kortex, in visuellen Gehirnregionen sowie in Bereichen, in denen auch beim Menschen komplexe Repräsentationen von Artgenossen vermutet werden, hervorrufen.

Zu verstehen wie Tiere Informationen über Aussehen, Geruch und Stimme verarbeiten und auch abrufen können, sei wichtig um nachzuvollziehen, wie sich tierische und menschliche Kommunikation ganz generell entwickelt haben.

[science.ORF.at, 16.12.08]
->   Centre for Mammal Vocal Communication Research (University of Sussex)
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->   Schimpansen erkennen Freunde am Hinterteil (24.9.08)
->   Affen erkennen einander an der Stimme (11.2.08)
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01.01.2010