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Pheromone: Ein Botenstoff wird 50  
  Die Chemie spielt in der Kommunikation vieler Arten eine Hauptrolle. Unsichtbar und oft geruchlos werden stoffliche Signale zwischen Individuen ausgetauscht, die etwa darüber entscheiden, ob es zur Paarung kommt. Zuständig sind spezielle Botenstoffe - die Pheromone. Vor genau 50 Jahren erhielten sie ihren Namen.  
Seitdem wird viel geforscht: Falter, Insekten oder Elefanten - alle verwenden die "Lockstoffe", nicht nur bei der Paarbildung, sondern auch um Pfade zu markieren oder um zu alarmieren.

Nur beim Menschen fehlt bis heute ein eindeutiger Nachweis, auch wenn Medienberichte und einschlägige Angebote im Internet etwas Anderes behaupten. In einem Essay in der aktuellen Ausgabe von "Nature" (Bd. 457, S.262) gibt der britische Zoologe Tristram D. Wyatt einen Überblick des aktuellen Forschungsstandes.
Chemische Signale
Schon seit der Antike ist bekannt, dass viele Lebewesen nicht nur über optische und akustische Reize kommunizieren, sondern auch über im weitesten Sinne olfaktorische oder chemische Signale; dazu zählen Säugetiere wie Hunde oder Katzen, aber auch viele Insektenarten, wie etwa Bienen.

Aber erst 1959 sahen Peter Karlson und Martin Lüscher die Notwendigkeit, dem Phänomen einen Namen zu geben, handelte es sich doch ihrer Meinung um ganz bestimmte Stoffe, die vor allem der artinternen Verständigung dienen und - das ist der wesentliche Unterschied zu Hormonen - nicht von speziellen Drüsen gebildet werden müssen.
Ein passender Name
Gebildet wurde die Neuschöpfung aus dem griechischen pherein, das soviel wie "übermitteln" heißt, und hormon für "erregen".

Der Begriff, den die beiden Forscher in "Nature" im Jänner 1959 erstmals publizierten, hat sich augenblicklich gegen das vorher verwendete allgemeinere "Ectohormon" durchgesetzt. Sie beschrieben die Substanzen "als Stoffe, die von einem Individuum abgegeben und von einem anderen derselben Art aufgenommen werden. Bei diesem führen sie zu einer spezifischen Reaktion im Verhalten oder in der Entwicklung."

Fast zur selben Zeit identifizierte ein anderer Forscher, Adolf Butenandt, das erste Pheromon: Bombykol, das Sexualpheromon des Seidenspinners Bombyx mori. Seine Arbeit zeigte nicht nur, dass es eine chemische Kommunikation zwischen Tieren gibt, sondern dass man die entsprechenden Substanzen auch tatsächlich isolieren kann.
Verschiedenartigste tierische Pheromone
Laut Tristram D. Wyatt, Zoologe an der britischen University of Oxford und selbst Pheromonexperte, war die Begriffsbildung von Karlson und Lüscher eine weitsichtige Entscheidung.

Schon sie erkannten nämlich, dass derartige Stoffe von einer Vielzahl von Tieren verwendet werden, gleichgültig ob Fische, Säugetiere oder Insekten. Zudem sagten sie vorher, dass zwar die meisten Pheromone über Geruch oder Geschmack wahrgenommen werden, aber dass sie ebenso gut über die Verdauung aufgenommen oder direkt auf das Gehirn oder andere Organe wirken könnten.

Dennoch wären die beiden Forscher wohl erstaunt über die Vielzahl an Pheromonen, die seit damals entdeckt wurden, und auch über deren mannigfaltige chemische Basis, von der einfache Ameisensäure mit niedrigem Molekulargewicht bis zu komplexen chemischen Verbindungen. Wie man heute weiß, bestehen nur die wenigsten Pheromone aus einer einzelnen Komponente.
Natürliche Entwicklung
Laut Wyatt lässt sich die Vielzahl der Stoffe mit natürlicher Selektion erklären. So würde etwa der erste Fisch, der an bestimmten Signalen erkennt, dass ein Weibchen kurz davor ist zu laichen, auch als erster vor Ort sein. Daraus würden sich über Generationen zwei Fähigkeiten entwickeln - jene, die entsprechenden Zeichen wahrzunehmen, aber auch die, sie auszusenden.

Interessanterweise wird die chemische Kommunikation laut dem britischen Forscher auch von anderen Arten quasi ausgenutzt. So können bestimmte Orchideen die Lockstoffe ihrer Bestäuber, einer Wespe, imitieren - so täuschend echt, dass deren Männchen auf die Blume ejakulieren.
Umstritten bei Säugetieren
Das Pheromonkonzept war allerdings nicht immer ganz unumstritten, vor allem wenn es um Säugetiere ging. Wyatt vergleicht die Gefechte mit den "Stink-Kriegen" einer Lemurenart, die mit ihren pheromongetränkten Schwänzen wedeln, um ihre Dominanz zum Ausdruck zu bringen.

Manche Forscher meinen nämlich, dass die Idee zu simpel sei. Säugetiere würden viel komplexere Signale verwenden. Individuelle Gerüche spielen demnach zwar eine wesentliche Rolle, enthalten sie doch auch Informationen über das Immunsystem, müssten aber erst erlernt werden.

Der Höhepunkt des Konflikts liegt sicher beim Menschen. Ob das Verhalten dieses - nicht nur - Säugetiers tatsächlich von simplen instinktiven Reaktionen auf einen Geruch gesteuert wird, darf mit Recht bezweifelt werden.
Spezielles Organ
Andere Wissenschaftler dachten, nur jene Säugetiere könnten Pheromone verwenden, die das entsprechende Organ zur Verarbeitung besitzen, das sogenannte vomeronasale Organ; Mäuse haben es, Menschen nicht.

Eine Studie aus dem Jahr 2005 hat laut Wyatt allerdings gezeigt, dass Pheromone zumindest bei Mäusen auch über die olfaktorische Wahrnehmung verarbeitet werden können.
Auf der Suche nach dem "Zaubermittel"
Vor allem in den letzten Jahrzehnten wurden keine Kosten und Mühen gescheut, Pheromone auch beim Menschen dingfest zu machen. Bevorzugte Quelle auf der Suche nach den Lockstoffen ist der menschliche Achselschweiß.

Laut Wyatt sind aber sowohl das menschliche Verhalten als auch seine chemischen Ausscheidungen hochkomplex, sodass bis jetzt kein menschliches Pheromon eindeutig identifiziert werden konnte, auch wenn sie mit ziemlicher Sicherheit existieren. Der wahrscheinlichste Kandidat aus seiner Sicht ist derzeit eine Komponente des weiblichen Achselschweißes, die offenbar eine Synchronisierung des weiblichen Zyklus bewirkt und zur Entwicklung eines inhalierbaren Verhütungsmittels beitragen könnte.

Auch wenn man sogenannte Pheromonsprays bereits im Internet kaufen kann, hält der Biologe die Entwicklung einer Substanz, die attraktiv und unwiderstehlich macht, für eher unwahrscheinlich. Eine andere vielleicht sinnvollere Anwendung hat die Pheromonforschung allerdings schon hervorgebracht: biologische Mottenfallen.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 19.1.09
->   Pheromon (Wikipedia)
->   Jacobson-Organ
->   Nature
->   Tristram D. Wyatt
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01.01.2010