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Hirnbotenstoff macht Heuschrecken zur Plage  
  Wüstenheuschrecken sind eigentlich harmlose Einzelgänger. Unter widrigen Umständen können sie sich aber zusammenrotten und die gefürchteten Heuschrecken-Schwärme bilden. Der Auslöser dafür ist laut einer neuen Studie der auch bei Menschen bekannte Botenstoff Serotonin im Gehirn der Insekten. Er weckt ihren Herdentrieb und macht sie erst zur "biblischen Plage".  
Mit den Erkenntnissen könnten sich auch neue Wege zur Bekämpfung von Heuschreckenschwärmen finden lassen, hoffen die Forscher um den Zoologen Michael Anstey von der Universität Cambridge in Großbritannien.
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Die Studie "Serotonin Mediates Behavioral Gregarization Underlying Swarm Formation in Desert Locusts" ist am 30.1.09 in "Science" (Bd. 323, S.627) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Unterschiedliches Aussehen: Herden- oder Einzeltier?
 
Bild: Tom Fayle

Einzelne Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria) sind extrem ungesellig. Wird aber ihre Nahrung knapp, so ändert sich ihr Verhalten drastisch, sie schließen sich zu riesigen Schwärmen zusammen und fressen alles, was grün ist.

Auch ihr Aussehen ändert sich in kurzer Zeit, weshalb Forscher die "Wanderheuschrecke" noch bis 1921 für eine eigene Art hielten.

Bild oben: Seitenansicht der Heuschrecken - links in der Version des Herdentiers, rechts als Einzeltier.
Wandel zum Schwarmwesen
Auslöser dieser Veränderungen sind Reize, die von Artgenossen ausgehen. Reagieren Heuschrecken auf seltene Begegnungen noch aggressiv, so wandeln sie sich zum Schwarmwesen, sobald sie sehr häufig auf Ihresgleichen treffen.

Entscheidend dafür ist die Menge der Artgenossen, die die Tiere sehen und riechen bzw. häufige Berührungen der Hinterbeine, wenn die dicht gedrängten Tiere übereinander kriechen.
Reguliert durch Serotonin
Die britischen Forscher versetzten einzelne Tiere mit künstlicher Reizung der Hinterbeine in den Wanderheuschrecken-Zustand. Dabei stellten sie fest, dass die Konzentration des Nervenbotenstoffs Serotonin in Teilen des Nervensystems um den Faktor drei anstieg.

Gaben sie den Tieren vorher ein Medikament, das die Produktion oder die Wirkung von Serotonin blockiert, so blieb die Umwandlung trotz starker "Wanderreize" aus, die Tiere blieben Einzelgänger.

Injizierten die Forscher Heuschrecken dagegen direkt Serotonin oder chemisch verwandte Stoffe, so wandelten sie sich in kurzer Zeit in typische "Wanderheuschrecken" um und zeigten Schwarmverhalten, auch wenn sie ganz allein waren und die dafür nötigen Reize fehlten.
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Gefräßige Flugwunder
Von den rund 8.000 Heuschreckenarten, die weltweit bekannt sind, bilden nur zwölf Schwärme. Eine ausgewachsene Wüstenheuschrecke ist fünf bis sechs Zentimeter lang und wiegt eineinhalb bis zwei Gramm. Die Tiere können an einem Tag Futter in der Größe ihres Eigengewichts fressen. Bei guten Wetterbedingungen fliegen sie in acht Stunden bis zu einhundert Kilometer weit.
->   Wüstenheuschrecken (Wikipedia)
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Wie "Dr. Jekyll und Mr. Hyde"
 
Bild: Tom Fayle

Larvenstadium der Herdenversion von Wüstenheuschrecken

"Niemand hatte bisher die Vorgänge im Gehirn verstanden, die bei den Heuschrecken bei dieser Verwandlung, von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde, vom harmlosen, antisozialen Einzelgänger zum monströsen Schwarm vorgehen", sagt Michael Anstey von der Universität Cambridge. "Darüber hatten Forscher 90 Jahre lang gerätselt."

Serotonin ist ein bekannter Botenstoff, der in der gesamten Tierwelt vorkommt. Auch beim Menschen ist bekannt, dass Serotonin das Verhalten beeinflusst.
20 Prozent der Erde von Schwärmen heimgesucht
Die Entdeckung könnte neue Wege aufzeigen, die Bildung von Schwärmen der gefräßigen Insekten zu verhindern, glauben die Wissenschaftler. Etwa ein Fünftel der Landmasse der Erde wird auch heute noch immer wieder von Heuschreckenschwärmen heimgesucht.

Erst im vergangenen November war aus Australien von einem Schwarm berichtet worden, der sich über sechs Kilometer Länge hinzog.

[science.ORF.at/dpa, 29.1.09]
->   Locust Watch (FAO)
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01.01.2010