News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Menschenvorfahre knackte Nüsse mit den Zähnen  
  "Mrs. Ples" ist ein Star der Wissenschaft: Der Schädel eines rund 2,6 Millionen Jahre alten Australopithecus africanus gilt als besterhaltener in Südafrika. Wiener Forscher haben nun ein 3-D-Modell der Knochen gemacht.  
Es zeigt, dass der Menschenvorfahre Nüsse knacken und damit Zeiten von Nahrungsknappheit besser überstehen konnte.

Die Fähigkeit, schwierig zu erschließende Nahrung zu sich zu nehmen, war eine ökologisch bedeutsame Anpassung, vermuten die Forscher um den Anthropologen Gerhard Weber von der Universität Wien.
...
Die entsprechende Studie "The feeding biomechanics and dietary ecology of Australopithecus africanus" ist am 3.2.09 online in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0808730106) erschienen.
->   Abstract der Studie
...
Zwei Fossilien miteinander verknüpft
Genau genommen wurden zwei Fossilien dabei aufgearbeitet. Denn "Mrs. Ples" ist zahnlos und erst die Einbeziehung eines sehr ähnlichen Australopithecinen ermöglichte die Rekonstruktion.

Die Wiener Forscher erstellten ein genaues 3D-Modell des fossilen Schädels. Nachdem dieser mit Hilfe von Computertomographie gescannt wurde, konnten er elektronisch verarbeitet und vermessen werden. Irritierende Faktoren wie Gips von früheren Rekonstruktionsversuchen und anhaftende Gesteinsmatrix wurden entfernt, ohne das wertvolle Original in Mitleidenschaft zu ziehen.
Berechnung der Druckkräfte des Schädels
"In diesem Fall hatten wir Glück. Da die Zähne eines sehr ähnlichen Australopithecinen zur Verfügung standen, konnten wir das Gesicht der zahnlosen 'Mrs. Ples" rekonstruieren", berichtet der Anthropologe Gerhard Weber.

Aufbauend auf den Arbeiten der Wiener Anthropologen führten Kollegen der Universität von Albany dann eine "Finite Elemente Analyse" (FEA) durch. FEA ist eine Anwendung für Ingenieure, um Druck-, Zug-, und Scherkräfte bei mechanischen Belastungen von Objekten zu berechnen.
Gut im Knacken
Es zeigte sich, dass das Gesichtsskelett von Australopithecus africanus an hohe Belastungen gut angepasst war. Diese starke Beanspruchung trat während des Beißens mit den Vormahlzähnen (Prämolaren) auf.

Dies wiederum lege den Schluss nahe, dass diese Vormenschen ihre vergrößerten Prämolaren und die strebepfeilerartigen Verstärkungen im Gesicht dazu benötigten, harte Nüsse und Samen aufzuknacken und zu zerkleinern, so die Forscher.

Nüsse und Samen waren zwar nicht die bevorzugte Nahrung der Australopithecinen, aber vielleicht die letzten Reserven, um über kritische Zeiten hinwegzukommen.
Original, Rekonstruktion, Modell
 
Bild: Transvaal Museum, Pretoria; Simon Neubauer & Gerhard Weber; David Strait

Links: Der originale Schädel von Mrs. Ples aus Südafrika. Man erkennt die ursprünglichen Gipsrekonstruktionen (weiß) und die Gesteinsmatrix in den Augenhöhlen.

Mitte: Der rekonstruierte Schädel mit ergänztem Gebiss, den entfernten Gips- und Gesteinsbereichen und den abgegrenzten Hohlräumen, wie Gehirnschädel (rot) und Nasennebenhöhlen (blau).

Rechts: Das FEA-Experiment zeigt die Belastung am Schädel von
Australopithecus africanus bei maximalem Biss mit den Vormahlzähnen. Warme Farben entsprechen hoher Belastung und zeigen an, dass der knöcherne Strebepfeiler entlang der Nasenöffnung als Verstärkung für das Gesicht dient.
Mr. oder Mrs. Ples?
Seit der Entdeckung der Fossilien im Jahr 1947 ging man davon aus, dass es sich bei "Mrs. Ples" um den Schädel eines weiblichen Hominiden handelt. 2002 lieferten Forscher hingegen Hinweise, die eher auf einen "Mr. Ples" schließen lassen.

Für die aktuelle Studie habe das aber keine Relevanz, versicherte Gerhard Weber gegenüber science.ORF.at.

[science.ORF.at, 3.2.09]
->   Virtual Anthroplogy, Universität Wien
->   European Virtual Anthropology Network
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Drei Millionen Jahre altes Fossil: Mr. oder Mrs. Ples?
->   Stammbaum der Hominiden
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010