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Evolution: Der Wolf im Hundepelz  
  US-Forscher haben jenes Gen entdeckt, das die ursprünglich grauen Wölfe Amerikas schwarz machte. Überraschend daran: Es stammt offenbar von ihren domestizierten Artgenossen, den Hunden amerikanischer Ureinwohner.  
Rascher Farbwechsel
Seit dem späten Pleistozän, also seit rund 300.000 Jahren, streifen Wolfsrudel durch Tundren, Waldsteppen und Schneelandschaften auf der Suche nach Beute. Lange Zeit blieb das Erscheinungsbild der Tiere unverändert, graue bis braune, manchmal auch weiße Fellfarbe. Vor einigen Tausend Jahren tauchten in Nordamerika plötzlich schwarze Tiere auf.

Sie sahen nicht nur anders aus als ihre Artgenossen, sie unterschieden sich auch anderweitig von ihnen: Vermutlich waren sie robuster, jedenfalls erfolgreicher, denn ihre Gene breiteten sich in der nordamerikanischen Wolfspopulation rasant aus. In der kanadischen Arktis beispielswiese sind heute knapp zwei Drittel aller Wölfe schwarz. Ursprung und Ablauf dieser evolutionären Neuerung gab Zoologen lange Zeit Rätsel auf.
Verantwortliche Mutation entdeckt
Bild: Science
Braun und Schwarz im Duett
Im Jahr 2007 fand der US-Genetiker Greg Barsh eine Mutation, die bei Hunden für die Dunkelfärbung des Fells verantwortlich ist. Sie liegt in einem Gen namens Beta-Defensin und verändert offenbar die Melaninproduktion in den Haarzellen (Science, Bd. 318, S. 1418). Wie Barsh nun mit einem guten Dutzend weiterer Kollegen berichtet, gilt selbiges offenbar auch für Wölfe und Koyoten. (Science, Online-Veröffentlichung).

"Wir hatten erwartet, dass das ein kurzes Forschungsprojekt werden würde, bei dem wir einfach bestätigen, dass Wölfe und Hunde die gleichen Gene für ihr dunkles Fell haben", sagt die Stanford-Genetikerin Tovi Anderson, die Erstautorin der Studie. Aber es kam ganz anders. Die Mutation stammt nämlich nicht vom gemeinsamen Vorfahren von Hund und Wolf, wie man eigentlich erwarten würde.
Folgenreiche Hunde-Wolf-Paarung
Die US-Genetiker bieten stattdessen folgendes Szenario an: Die Mutation dürfte vor rund 50.000 Jahren entstanden sein, und zwar bei den Urformen der Haushunde. Vor etwa zehn bis 15.000 Jahren - jene Zeit, als die ersten Amerikaner die Behringstraße überquerten - ist es wohl zu einem Tete-a-tete zwischen Wolf und Hund gekommen, denn ab dieser Zeit ist sie auch im wölfischen Gen-Pool nachweisbar. Was durchaus neues Licht auf die Domestizierung wirft:

"Wir waren wirklich erstaunt, dass domestizierte Tiere etwas Positives zum genetischen Reservoir von Wildtieren beisteuern können, von denen sie ursprünglich abstammen", so Greg Barsh. "Und es ist auch faszinierend, dass ein Teil der ausgestorbenen Ur-Hunde Nordamerikas nun in Wölfen weiterlebt."
Schwarz macht stark
Fragt sich nur: Warum sollte eine dunkle Fellfarbe von so großem Vorteil sein, zumal in Gegenden, die nur selten schneefrei sind? "Wildbiologen haben mir gesagt, dass Wölfe keine Tarnfarbe brauchen, weder als Schutz, noch um ihren Jagderfolg zu verbessern. Wir vermuten, dass hier etwas ganz anderes vorgeht", sagt Barsh. Dieses "andere" dürfte mit Immunologie zu tun haben.

Die für die Dunkelfärbung verantwortliche Mutation liegt nämlich in einem Gen, dessen Job normalerweise darin besteht, Abwehrsubstanzen gegen Bakterien herzustellen. Dass es auch in den Signalweg zur Färbung von Haarzellen hineinfunkt, mag reiner Zufall sein.

Kein Zufall kann indes sein, dass es nach wie vor einen starken Selektionsdruck gibt, der die Verbreitung der Mutation antreibt, wie die US-Forscher herausgefunden haben. Barshs Hypothese: "Bei Menschen beeinflusst das Gen Entzündungen und Infektionen. Vermutlich sind schwarze Wölfe genau in dieser Hinsicht überlegen."

Robert Czepel, science.ORF.at, 6.2.09
->   Greg Barsh
->   Wolf - Wikipedia
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01.01.2010