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Evolutionsforschung heute (II): Komplexität  
  Als "Major Transitions", also als Hauptübergänge, bezeichnen Evolutionsbiologen die Entstehung neuer, komplexer Strukturen in der Tierwelt. Eine solche Struktur ist zum Beispiel das Mesoderm.  
Ob der Tausendfüßer, das Rotkehlchen oder die Giraffe: Die Tierwelt zeugt von großer Komplexität und Vielfalt. Wie diese Komplexität im Laufe der Evolutionsgeschichte entstanden ist, erforschen Entwicklungsbiologen etwa am Beispiel von Seeanemonen.

Die wirbellosen Nesseltiere, die eng mit Quallen und Korallen verwandt sind, zählen zu den ältesten Tierformen überhaupt - sie sind vor etwa 700 Millionen Jahren entstanden und verändern sich seither kaum.
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Ö1 Sendungshinweis
Am 12. Februar feiert Charles Darwin seinen 200. Geburtstag. Aus diesem Anlass sendet die Ö1 Sendung "Wissen Aktuell" (Mo-Fr, 13.55 Uhr) eine Beitragsserie zum Thema "Evolutionsforschung heute", in der einige der meist zitierten Evolutions-Forscher des deutschsprachigen Raumes zu Wort kommen.
->   Alle Ö1 Sendungen zum "Darwinjahr"
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Mesoderm fehlt zwar...
Anders als der weite Großteil aller Tierstämme verfügen Seeanemonen lediglich über zwei und nicht über drei Zellschichten - also nur über Ektoderm und Entoderm. Das Mesoderm - eine Zellschicht, aus der sich beim Menschen etwa Knochen, Herz und Nieren entwickeln - fehlt.

Auch deshalb sind Forscher lange Zeit davon ausgegangen, dass Seeanemone und Mensch in der Evolutionsgeschichte besonders weit voneinander entfernt stehen.
... die entsprechenden Gene jedoch nicht
Die experimentellen Ergebnisse des Entwicklungsbiologen Ulrich Technau vom Departement für Theoretische Biologie an der Universität Wien zeigten jedoch: Mensch und Seeanemone sind weitaus näher verwandt, als angenommen. Denn Seeanemonen verfügen sehr wohl über jene Gene, die in anderen Lebewesen für die Entstehung des so genannten Mesoderms verantwortlich sind.

"Eine der Möglichkeiten, das nachzuweisen, ist, diese Gene zu nehmen und auf ihre Funktion hin in einem anderen Organismus zu testen - zum Beispiel in einem Froschembryo. Und tatsächlich: Die Gene, die wir getestet haben, induzieren dort tatsächlich Mesoderm. Obwohl sie das in ihrem eigenen Organismus, in der Seeanemone, nicht tun", so Technau. Die 700 Millionen Jahre alte Seeanemone steht dem Mensch damit näher als die Fliege, die sich vor etwa 500 Millionen Jahren entwickelt hat.

Um eine stimmige Entwicklungsgeschichte des Lebens schreiben zu können, müssen man künftig verstärkt dahingehend forschen, in welchem Kontext welche Gene wie aktiv werden. "Zudem gilt es, verstehen zu lernen, wie und warum eine neue Spezies bestimmte Gene von ihren evolutionären Vorgängern übernimmt und andere nicht", so Technau.

Tanja Malle, Ö1 Wissenschaft, 11.2.09
->   Ulrich Technau
->   Departement für Theoretische Biologie an der Universität Wien
->   Nachlese zum Projekt Darwin auf oe1.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010