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Erster Entwurf des Neandertaler-Erbguts  
  Deutsche Forscher haben einen großen Teil des Neandertaler-Erbguts entziffert. Sie haben mehr als drei Milliarden Buchstaben des Erbmaterials verschiedener Neandertaler sequenziert.  
Daraus lasse sich mehr als 60 Prozent des Erbguts dieses Urmenschen erstellen, teilte das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie am Donnerstag mit.

"Diese Sequenzen können nun mit den bereits sequenzierten Genomen von Menschen und Schimpansen verglichen werden", sagte Svante Pääbo, Direktor des Instituts und Forschungsleiter.
Der nächste Verwandte des Menschen
Bild: epa
Modell eines älteren Neandertalers aus dem Neandertal-Museum im deutschen Mettmann
Mit ihren Forschungen wollen die Wissenschaftler der Frage nachgehen, ob und wie das Erbgut der Neandertaler von dem des modernen Menschen abweicht.

Und: Welche genetischen Veränderungen haben zur Entwicklung des Homo sapiens geführt und ihn vor 100.000 Jahren befähigt, sich über die ganze Welt zu verbreiten?

Zwar habe der Mensch viele Verwandte und Vorfahren, aber der Neandertaler sei sein nächster Verwandter, "er ist derjenige, von dem wir die meisten Knochen haben", sagte Pääbo vor Journalisten.

"Je besser der biologische Hintergrund des Menschen bekannt ist, desto besser können wir den genetischen Hintergrund von Krankheiten verstehen, zum Beispiel Schizophrenie und Autismus", so der Biologe.
Mehrere Knochen analysiert
Bild: Max-Planck-Institut f¿r evolution¿re Anthropolgie
Das Neandertaler-Forschungsteam aus Leipzig mit dem Objekt der Begierde, ganz rechts: Svante Pääbo
Das analysierte Gen-Material stammt von Neandertaler-Knochen, die in Kroatien, Spanien und Russland entdeckt wurden.

Außerdem steuerte das Landesmuseum in Bonn eine Probe von dem 40.000 Jahre alten Skelett bei, das 1856 im Neandertal östlich von Düsseldorf gefunden wurde und dem Neandertaler seinen Namen gab. Laut Pääbo gibt es weltweit Überreste von rund 300 Neandertalern.

Die Arbeiten erfolgten unter Reinstraumbedingungen, um sicherzustellen, dass das Material nicht mit DNA heutiger Menschen vermischt wird.

Das Fachmagazin "Nature" (Bd. 457, S. 645) hatte bereits in der vergangenen Woche kurz darüber berichtet.
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Nur ein halbes Gramm Knochen benötigt
Die DNA von Fossilien zu analysieren ist eine technische Herausforderung. Stirbt ein Organismus, werden seine Zellen von Bakterien und Pilzen überrannt. Ein Großteil der Erbinformationen wird zerstört, der Rest verändert sich chemisch. Die US-Experten der Firma 454 Life Sciences entwickelten eine neue Technologie, um auch die wenigen kurzen erhaltenen DNA-Stücke analysieren zu können. "Die nun hergestellte erste Version des Genoms konnte mit weniger als einem halben Gramm Knochen erzeugt werden", berichtet Pääbo.
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Bald Auskunft über Verwandtschaft ...
Innerhalb des nächsten Jahrzehnts erwarten sich Wissenschaftler durch die aktuelle Studie die Klarheit über die Verwandtschaft heutiger Menschen mit dem populären Urmenschen.

Heute mögliche Methoden der Gen-Forschung an Menschenfossilien bedeuteten "einen großen technischen Durchbruch, den vor zehn Jahren noch niemand für möglich gehalten hat", sagte der Neandertaler-Forscher Ralf Schmitz. Allerdings seien die Erbanlagen des Neandertalers "zunächst erst einmal gelesen, aber noch nicht entschlüsselt".
... und Ursache des Aussterbens
Neben gesicherten Erkenntnissen zur Verwandtschaft von Neandertalern und modernem Homo sapiens erwartet der Bonner Wissenschaftler, dass "in den nächsten fünf bis zehn Jahren" auf Basis künftiger Gen-Entschlüsselung etwa auch Fragen zum Stoffwechsel des wohl bekanntesten Urmenschen beantwortet werden könnten.

Hier sei es dann wohl möglich, das Rätsel des Verschwindens der Neandertaler vor rund 30.000 Jahren zu lösen. "Mangelnde Flexibilität bei der Nahrungsverwertung könnte der Grund für ihr Aussterben gewesen sein", sagte der Urmenschen-Experte.

[science.ORF.at/dpa/AFP, 12.2.09]
->   Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
->   Neandertal-Museum Mettmann
->   454 Life Sciences
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01.01.2010