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Wie der Mond von hinten aussieht  
  Astronomen haben die erste geologische Mondkarte erstellt, auf der beide Seiten des Trabanten zu sehen sind. Hinten ist der Mond offenbar deutlich dichter, heller und von mehr Kratern bedeckt als vorne.  
Der Satellit und die Prinzessin
"Die Oberfläche des Mondes kann uns eine Menge darüber erzählen, was in seinem Inneren vorgeht. Bisher gab es nur sehr begrenzte Karten, nun können wir erstmals bestätigen, dass es auf dem gesamten Mond nur sehr wenig Wasser gibt", sagt der Geologe C.K. Shum von der Ohio State University. Er ist Teil eines Forscherkonsortiums, das soeben im Fachjournal "Science" (Bd. 323, S. 897 ff.) vier Studien zur Physik und Geologie unseres kosmischen Begleiters veröffentlicht hat.

Möglich war das durch Messungen des japanischen Forschungssatelliten "Kaguya". In Japan gibt es eine berühmte Märchengestalt, die genau so heißt, und das ist kein Zufall. Die Geschichte erzählt von einem kinderlosen Bambusschneider, der im Wald ein etwa daumengroßes Mädchen findet. Er zieht das Kind auf, und als es erwachsen und mittlerweile eine wunderschöne junge Frau ist, halten fünf Männer um deren Hand an. Sie stellt die Werbenden vor jeweils eine Aufgabe, doch alle fünf versagen. So kehrt Kaguya dorthin zurück, von wo sie gekommen ist: nämlich vom Mond.
Komplette Vermessung
 
Bild: JAXA/NASA

Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Kaguya, nun in Form eines Satelliten, zum Mond gereist ist, allerdings nicht alleine: Der Orbiter wird von zwei kleineren Hilfssatelliten begleitet. Einer der beiden ist eine fliegende Relaisstation und ermöglicht dem Hauptsatelliten auch Kontakt mit der Erde zu halten, wenn er sich über die Rück- (also jene der Erde abgewandte) Seite bewegt.

Aufgrund dieses Umstandes sowie Dank der sensiblen Instrumente des Laser-Entfernungsmessers an Board von Kaguya haben die Forscher nun eine topografische Karte erstellt, deren Auflösung den bisherigen Bestwert um den Faktor 100 übertrifft.

Im Bild oben ist beispielsweise die Tiefebene "Mare Orientale" dargestellt. Sie liegt an der Grenze zwischen Vorder- und Rückseite des Mondes und ist daher von der Erde kaum zu sehen.
Kühle Rückseite
Was die Dichte des Mondgesteins betrifft, hat die Mission ebenfalls einige neue Erkenntnisse gebracht: Von der Vorderseite des Trabanten wusste man etwa, dass es dort ungewöhnliche Massenkonzentrationen gibt (im Fachjargon "Mascons" genannt), die vermutlich durch die Hebung des Mondmantels nach Meteoriteneinschlägen entstanden sind.

"Mare Orientale" sieht beispielsweise durch die Gravitationsbrille betrachtet wie ein Doughnut aus, der aktuellen Analyse zufolge sind die Gravitationsanomalien aber auf der Vorder- und Rückseite keineswegs gleich.

Rückwärtig sind besonders dichte Regionen von einem Ring leichter Materie umgeben, vorne hingegen fehlt die Ringstruktur weitgehend, dafür erreichen die besonders dicht gepackten Formationen größere Ausmaße. Für die Forscher ein Hinweis darauf, dass es hinten kühler ist als bisher gedacht.
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Vulkanische Relikte
Auch Spuren von Vulkanismus fand man. Die Messungen zeigen, dass auf der Rückseite bis vor 2,5 Milliarden Jahren das Basalt in Strömen geflossen ist. Zur Einordnung dieser Zahl: Der Mond ist 4,5 Milliarden Jahre alt, seine aktuelle, von großflächigen Becken dominierte Gestalt verdankt er der letzten Phase intensiven Bombardements durch Meteoriten und Asteroiden. Sie endete vor rund 3,8 Milliarden Jahren.
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Höchster Berg, tiefstes Tal
Was topgrafische Superlative betrifft, braucht der Mond übrigens den Vergleich mit unserem Planeten nicht zu scheuen. Manche Mondbecken sind 2.500 Kilometer lang und mehrere Kilometer tief, auf der weitaus größeren Erde gibt es in dieser Dimension nichts Vergleichbares. Der höchste Punkt des Mondes liegt einer der neuen Studien zufolge in der Nähe des Äquators, genauer gesagt: am Rand des Dirichlet-Jackson-Beckens. Er überragt den irdischen Mount Everest mit 10,75 Kilometern Höhe deutlich.

Der tiefste Punkt liegt, wie die Forscher berichten, im neun Kilometer tiefen Antoniadi-Krater. Macht in Summe knapp 20 Kilometer Differenz zwischen tiefster Senke und höchstem Gipfel. Auf der Erde ist zumindest dieser Wert ein bisschen höher - dem Marianengraben sei Dank.

Bis man einen Punktesieg für den Blauen Planeten in der Leistungskategorie "Maximaler Niveauunterschied" verkündet, sollte man allerdings noch die nächsten Mondmissionen abwarten. Die sind schon im Gange: Indien und China haben bereits je einen Satelliten im Orbit des Mondes platziert, im Frühjahr werden die USA zwei neue Raketen starten, um das Heim von Kaguya, der Mondprinzessin, noch genauer zu vermessen.

Robert Czepel, science.ORF.at, 13.2.09
->   C.K. Shum - Ohio State University
->   Mond - Wikipedia
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->   Der junge Mond war gar nicht trocken
 
 
 
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01.01.2010