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Kriegsmüll vergiftet Korallenriffe  
  Ein Forscher fand Beweise für den verheerenden Einfluss eines versunkenen Kampfschiffs auf marine Ökosysteme. Die Korallen im Umfeld weisen eine extrem hohe Konzentration krebserregender Stoffe auf.  
Auf dem Meeresboden nahe der puerto-ricanischen Insel Vieques liegt der US-Zerstörer USS Killen. 1958 wurde die Killen als Zielschiff für Atomwaffentests eingesetzt. Die Vorgabe war, festzustellen, wie stark sich Radioaktivität auf Kriegsschiffe auswirkt, wenn Atomsprengkörper unter Wasser gezündet werden. 1977 wurde der radioaktiv verstrahlte Zerstörer dann von der US Navy vor Ort einfach versenkt, nur 300 Meter von der puerto-ricanischen Küste entfernt.
Krebs bei Fisch und Mensch
Der US-Ökologe James Porter wollte den aktuellen Grad der Radioaktivität feststellen, und kam zu einem beunruhigenden Ergebnis, welches er beim "Second International Dialogue on Underwater Munitions" in Honolulu nächste Woche präsentieren wird.

Seine Daten belegen nicht nur hohe Strahlungsniveaus, sondern auch, dass im Umkreis des Wracks marine Lebewesen wie Korallen oder Seeigel einer extrem hohen Belastung von krebserregenden Stoffen ausgesetzt sind. Die Stoffkonzentration übersteigt das gerade noch sichere Limit um das 100.000-fache. Außerdem hat sich gezeigt, dass Puerto-Ricaner von der Nebeninsel Vieques ein um 25 Prozent höheres Krebsrisiko aufweisen als die Bewohner der Hauptinsel.
Relikt des Kalten Kriegs
Bild: University of Georgia
Vermessen einer Bombe
Seit 1999 beschäftigen sich Forscher mit der USS Killen: Der Meeresarchäologe Juan Vera wurde zuerst darauf aufmerksam. Er wusste noch nichts von den Atomversuchen, da die US Navy die Tests damals noch geheim hielt. Als erstes fiel Vera bei seinen Tauchgängen auf, dass es 30 Meter um die Killen kein marines Leben gab.

Nach seiner Entdeckung setzte er sich mit der US Navy in Verbindung: Zuerst leugnete die Marine die Existenz des Schiffs, später widersprach sie Untersuchungsergebnissen über die radioaktive Verstrahlung der Schiffshülle. Erst im September 2002 gestand die Navy ein, dass es Atomtests mit der USS Killen gegeben habe. Besonders schamlos daran: 1983 hatte die US Marine noch mit Puerto Rico ein Abkommen geschlossen, die Killen als "wichtiges marines Habitat" zu erhalten und ja nicht zu bergen.
Müllabfuhr für Waffen
Über ein halbes Jahrhundert, von 1943 bis 2003, diente die Gegend um Vieques als Schießplatz für die Navy. Auf dem Meeresgrund liegen also noch mehr Überreste verschossener Munition, aber auch instabile Blindgänger. Beim "Second International Dialogue on Underwater Munitions" werden Forscher auch Technologien vorstellen, mit denen sich solcher Kriegsmüll entfernen lässt.
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Werkzeuge gegen alte Bomben
Im Allgemeinen gibt es vier Methoden, um Unterwasser-Gefahren durch Munitionsreste zu entschärfen: die Sprengkörper, zum Beispiel Bomben, zu einer kontrollierten Explosion zu bringen, die Munition mit Lehm oder Zement zu überdecken, die Bomben einzusammeln und zu entsorgen sowie den Zugang zur betroffenen Region einzuschränken. Die ökonomisch billigste und gebräuchlichste Methode ist die letztgenannte. Das Einsammeln der Sprengkörper und deren Entsorgung kosten am meisten. Zum Einsatz kommt diese Variante daher am ehesten gegen Bedrohungen für touristische Unternehmen, zum Beispiel nahe gut besuchter Strände.
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Nachhaltige Entsorgung
James Burton, Präsident der Firma Underwater Ordnance Recovery, entwickelte ein Sammelsystem, um Munitionen und damit auch deren Umweltbelastung aus dem Meer entfernen zu können. Die Maschine ruht mit einer Plattform auf dem Meeresboden und verfügt über einen rundum schwenkbaren Greifarm. Gesteuert wird der Greifarm von Land aus durch eine mit Kameras ausgestattete Kontrollkonsole.

Ist ein Blindgänger aus dem Meer gehoben, folgt als nächster Schritt die Entsorgung: Instabile Waffen mit großer Sprengkraft müssen gleich örtlich vernichtet werden, etwa durch kontrollierte Sprengung an Land. Es gibt aber auch spezielle Müllverbrennungsanlagen, die jedoch sehr teuer sind und meist nicht in der Nähe der Fundstelle liegen. Als kosteneffektiver erweisen sich Säurebäder oder mobile Eindämmungskammern, in denen Sprengkörper zur Explosion gebracht werden können.

Für das Sammeln und Entsorgen ist der Einsatz von Robotern vorläufig zwar am teuersten, jedoch auch am sichersten und umweltfreundlichsten. Der Roboter kann etwa einen Torpedo aus dem Wasser gleich in ein mobiles Entsorgungssystem heben, das sich auf einer schwimmenden Plattform befindet. So müssen Sprengkörper gar nicht mehr an Land gebracht werden.

Markus Grundtner science.ORF.at, 19.2.09
->   Second International Dialogue on Underwater Munitions
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->   Underwater Ordnance Recovery
 
 
 
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01.01.2010