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Das Ende des Schulstresses?  
  Immer mehr Schüler klagen über Stress. Österreichische Mediziner wiesen jetzt nach, dass es sich dabei nicht um modisches Gejammer handelt, sondern um reale Belastungen und "Burn-out-Symptome".  
Mit den Erkenntnissen der Wissenschafter könnte man in Zukunft den Schulalltag an den menschlichen Biorhythmus anpassen und so mit dem Stress besser umgehen, schlagen die Mediziner vor.
Stress medizinisch gemessen
Stress in der Schule ist seit Jahren ein Schlagwort. Man weiß mittlerweile, dass Notendruck, Familienkrisen etc. für verminderte Leistungsfähigkeit sorgen. Neueste Untersuchungen diagnostizieren bei Schülern sogar einen dramatischen Anstieg von psychosomatischen Krankheiten als Folge des Stresses.

Schwierig ist es allerdings, Zusammenhänge mit den Mitteln der Naturwissenschaft nachzuweisen. Mediziner des Joanneum Research in Weiz und Psychologen der Universität Graz starteten deshalb eine völlig neue Art der Untersuchung.

76 Schüler der Haupt- und Realschule Weiz im Alter zwischen 10-15 Jahren wurden über das Schuljahr hinweg untersucht. Die Schüler waren rund um die Uhr mit Messgeräten ausgestattet. Dazu wurde unter Anleitung der Psychologen Tagesprotokolle erstellt.
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Von der MIR ins Klassenzimmer
Die Messgeräte der Mediziner wurden einst für den Kosmonauten Franz Viehböck entwickelt, jetzt machen sie aus Schülern "gläserne" Menschen. Das Physiologen- und Technikerteam um Professor Max Moser betreute im Rahmen des Austromirprojekts die Kosmonauten der Weltraumstation. Dabei wurde ein Messgerät entwickelt, das permanent am Körper getragen werden kann und dabei verschiedene Körperfunktionen, vor allem den Herzschlag und seine Parameter, misst. Der sogenannte "heartman" ist es wie ein Dauer-EKG im Zigarettenschachtelformat ¿ das auch noch den härtesten Umweltbedingungen gewachsen ist.
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Belastungen werden sichtbar
Die Messungen der Kosmonauten brachten damals grundlegende Erkenntnisse über die Belastungen des Organismus. Die Forscher entdeckten dabei den Faktor der sogenannten Herzfrequenzvariabilität - das ist die Bandbreite des Herzschlags.

Bei einem gesunden, erholten Menschen ist diese Bandbreite hoch, bei einem kranken, erschöpften oder infarktgefährdeten Organismus dagegen gering. So waren auch zum Beispiel die Kurven der Kosmonauten durch die hohe Belastung im Weltraum-Einsatz quasi flachgepresst.
Alte Weisheit neu belegt
Diese Erkenntnisse machte man sich zunutze, um den Belastungszustand der Schüler zu messen. Durch die 24 Stunden Aufzeichnungen wurde dabei eine alte Weisheit naturwissenschaftlich bestätigt: die Nachtruhe ist eine der wichtigsten Energiequellen. Im Tiefschlaf findet die beste Erholung für unseren Organismus statt.

Jene Jugendlichen, die bis tief in die Nacht hinein fernsehen oder mit dem Computer spielen, zeigten bald eine dauernde Müdigkeit auch am Tag. Dabei hat nicht nur der Schlafmangel Auswirkungen, sondern auch die Reizüberflutung. Natürlich manifestierte sich das bei den 10 bis 15-Jährigen in Konzentrationsstörungen und in der Folge schlechten schulischen Leistungen.
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'Computerspielen als Stressfaktor'
Prof. Max Moser vom Joanneum Research: "Vor allem Schüler in der Pubertät sitzen oft nächtelang vor bei Computerspielen oder vor dem Fernseher. Das ist wahrscheinlich einer der Haupt-Stress-Faktoren."
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Körper und Seele beeinflussen einander
Die Forscher konnten aber auch die Rückkoppelung von Psyche und Körper deutlich nachweisen. Schüler, die soziale und psychische Spannungen erleben, sei es durch familiäre Krisen, wie Scheidungen, Streit der Eltern, aber auch durch hohen Leistungsdruck, leiden sogar unter Schlafstörungen.

Auch ihre Erholungsfähigkeit ist beeinträchtigt ¿ eine schlechte Ausgangsbasis für den Schulalltag, aber auch für andere psychische Belastungen.

Denn auch das hat sich gezeigt: wer ausgeschlafen und erholt ist, verkraftet auch Leistungsdruck und emotionale Spannungen besser. Bewegung und Sport tun daher nicht nur dem Körper gut, sondern sind auch idealer Ausgleich für den strapazierten Geist.

Versuche haben gezeigt, dass die Aufmerksamkeit in Unterrichtseinheiten auch bei müden Schülern steigt, wenn davor Entspannungsübungen gemacht werden. Im konventionellen Unterrichtsablauf ist dafür aber meistens kein Platz vorgesehen.
Revolution in der Schule ?
Aufgrund dieser Erkenntnisse regt der Co-Autor der Studie, Prof. Wolfgang Kallus, überhaupt ein Umdenken an: Seine Auswertungen zeigen, dass die Schüler über das Schuljahr hinweg richtig "ausbrennen" ¿ eine andere Gestaltung von Ferien und Schulzeiten ist daher überlegenswert.

Während man an modernen Arbeitsplätzen bereits von der Arbeitszeitgestaltung auf den menschlichen Biorhythmus eingeht, verläuft der Schulalltag noch immer traditionell.
Wenn das geändert wird, so die Forscher, kann auch der Stress in der Schule besser bewältigt werden.

Tom Matzek/Modern Times
Das ORF-Wissenschaftmagazin ¿Modern Times¿ bringt heute um 22.35 in ORF2 eine Reportage über die hier vorgestellte Studie.
->   Modern Times
 
 
 
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01.01.2010