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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Eine Welt ohne fossile Energieträger ist derzeit unmöglich
Regional lassen sie sich aber ersetzen
 
  An Institut für Verfahrenstechnik der TU Wien forschen Wissenschaftler an den Energietechniken der Zukunft. Dazu gehören unter anderem künstliches Erdgas und Diesel aus Holz. Der Chemiker Reinhard Rauch erklärt im Interview, wie Energie ohne CO2-Emissionen erzeugt werden könnte, warum CO2-Label auf Produkten vielleicht nichts bringen, wie es ganze Regionen oder Staaten schaffen könnten, ohne fossile Energieträger auszukommen, und wo dabei die Grenzen liegen.  
science.ORF.at: Sie arbeiten an der TU Wien in der Arbeitsgruppe für Zero Emission Energy Technology. Was kann man sich darunter vorstellen?

Reinhard Rauch: Es geht um die nächste Generation der Strom-, Wärme- und Kraftstofferzeugung, so dass Energie ohne CO2-Emissionen bereit gestellt werden kann. Man kann entweder nach dem Verbrennen fossiler Energieträger CO2 abtrennen. Da untersuchen wir technische Verfahren dazu.

Und wir erzeugen künstliches Erdgas und Diesel aus Holz. Da geht es aber nicht nur um Energie. Das Ziel ist, langfristig die Chemie auf Biomasse und Holz umzustellen. Es gibt viele Anwendungen für Synthesegas. Erdgas wird derzeit nicht nur fürs Heizen oder zur Stromerzeugung verwendet. Es ist auch Ausgangsstoff für die Ammoniak- oder Methanolherstellung. Viele Grundchemikalien - etwa auch Wasserstoff - werden derzeit aus Erdgas hergestellt. Über die Vergasung könnte man dafür auch Biomasse einsetzen.
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Zur Person:
Reinhard Rauch hat technische Chemie studiert und über Synthesegasanwendungen aus Biomasse am Institut für Verfahrenstechnik der TU Wien dissertiert, wo er sich derzeit mit der Produktion von künstlichem Erdgas und Diesel aus Holz beschäftigt.
->   Reinhard Rauch
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Für Strom und Wärme könnte das Holz aber auch einfach verbrannt werden?

Das kommt auf die Rahmenbedingungen an - etwa auf den Strom-, Wärme- oder Holzpreis. Das bestimmt, ob eine Vergasungsanlage oder eine Verbrennungsanlage wirtschaftlicher ist. Die Vergasung hat zudem den Vorteil, dass man Strom und Wärme gleichzeitig mit hohem Wirkungsgrad erzeugen kann. Bei herkömmlichen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sinkt bei der gleichzeitigen Erzeugung der elektrische Wirkungsgrad. Biomasse zu vergasen, ist aber nur sinnvoll, wenn man die Wärme verkaufen kann.
Woran scheitert die Erzeugung von Synthesegas aus Biomasse bisher?

Das Problem ist die Reinigung des Gases, damit es als Synthesegas genutzt werden kann. Die bestehende Technik dafür rechnet sich nur bei Großanlagen. Bei Biomasse möchte man aber kleine, dezentrale Anlagen haben. Man muss eine neue Gasreinigung entwickeln. Das haben wir geschafft. Jetzt geht es darum, Anlagen zu bauen, die kommerziell funktionieren. Das braucht aber große Investitionen, weil sich allzu kleine Anlagen nicht rechnen.
Unter dem Schlagwort Zero Emission werden ja auch Autos oder Motorräder mit Elektroantrieb verkauft. Ist es nicht so, dass die CO2-Emissionen dann statt beim Fahrzeug einfach im Kraftwerk entstehen?

Das kommt darauf an, wie der Strom produziert wird. In Österreich kommen derzeit über 60 Prozent aus Wasserkraft. Bei einem Strommix wie in Deutschland mit einem hohen Anteil an Kohlekraftwerken kann man natürlich nicht mehr von Zero Emission sprechen. Zero Emission bezieht sich dann nur auf das Fahrzeug selbst, nicht auf die Erzeugung des Stroms.
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Schwerpunkt Energiegesellschaft
Die Initiative Risiko:dialog von Radio Österreich 1 und dem Umweltbundesamt widmet sich derzeit dem Thema Ressourcen. Bis Ende März 2009 gibt es dazu den Dialogschwerpunkt Energiegesellschaft. Im Frühjahr 2009 wird dazu eine BürgerInnenkonferenz stattfinden. Im Zuge des Schwerpunkts werden auf science.ORF.at etwa alle zwei Wochen Beiträge zum Thema Energie erscheinen.
->   Risiko:dialog
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Die englische Supermarktkette Tesco hat CO2-Label an Produkten angebracht, damit Konsumenten wissen, wie viel CO2 in der gesamten Produktion des Produkts entstanden ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob das die Konsumenten interessiert. Die meisten schauen wahrscheinlich nur auf den Preis. Wenn man zum selben Preis ein CO2-armes Produkt bekommt, wird es sicher gekauft, aber in dem Moment, wo das teurer ist, ist es schwierig. Wir haben in einer Studie das Kaufverhalten für Fischer-Tropsch-Diesel (Anm.: Diesel aus Rest-Biomasse; im Gegensatz zu Diesel aus Rapsöl) bei großen Taxiunternehmen untersucht. Die würden gerne diesen Diesel verwenden, aber unter der Auflage, dass er dieselbe Qualität hat wie herkömmlicher Diesel und der Preis nicht höher ist.
Ist der Preis höher?

Ohne Steuer ist der Preis derzeit höher. Mit der Mineralölsteuerbefreiung für Biodiesel müsste man ungefähr auf den gleichen Preis kommen.
Diesen Diesel kann man aber derzeit noch nicht kaufen?

Nein. Wir produzieren im Moment circa zwei Kilogramm pro Tag. Es wird noch mehrere Jahre dauern, bis man Fischer-Dropsch-Diesel kommerziell erzeugen kann.
Nochmal zurück zu den CO2-Labels für Produkte. Kann man so etwas überhaupt genau berechnen?

Das berechnet man mit Lebenszyklusanalysen, für die es eine internationale Norm gibt. Für unseren Diesel haben Experten von Joanneum Research die gesamten CO2-Emissionen von Fischer-Tropsch-Diesel betrachtet - beim Anbau des Holzes, bei der Erzeugung und beim Verbrennen im Fahrzeug. Die Werte wurden mit herkömmlichem Biodiesel und fossilem Diesel verglichen.

Der Fischer-Tropsch-Diesel hat da um einiges besser abgeschnitten, als die beiden Alternativen. Es wurden aber auch andere Umwelteinwirkungen verglichen, zum Beispiel die Versauerung der Böden. Da schneiden erneuerbare Diesel schlechter ab, als der fossile, weil der Boden beim Anbau der Pflanzen versauert. Da hat man einfach gewisse Emissionen, zum Beispiel durch Dünger.
Warum ist Fischer-Tropsch-Diesel besser als Biodiesel aus Raps?

Weil man bei Raps nur einen kleinen Teil der Pflanze verwendet. Biodiesel ist in Europa eigentlich eingeführt worden, weil man Soja-Importe aus den USA umgehen wollte. Das Ziel war zunächst, ein billiges Eiweißfuttermittel zu produzieren. Das ist ein Hauptprodukt beim Raps. Was bei der Dieselproduktion überbleibt, ist Futtermittel. Das geht aber in die Energiebilanz nicht ein. Dadurch hat man einen sehr geringen Flächenertrag und verhältnismäßig hohe CO2-Emissionen.

Raps wird aber immer für beides genutzt. Auch bei der Erzeugung von Bioethanol entsteht Futtermittel. Beim Fischer-Tropsch-Diesel wird hingegen das gesamte Holz in Treibstoff umgewandelt und man hat keine Nebenprodukte, außer Strom und Wärme.
Wie viel Treibstoff könnte man auf diese Art erzeugen?

Das begrenzende ist die Fläche. Es ist zu wenig landwirtschaftliche Fläche vorhanden, um den ganzen Energiebedarf damit abdecken zu können. Circa zehn bis 30 Prozent des Treibstoffbedarfs in Österreich könnte man durch Erneuerbare decken.
Was sagen sie zur Kritik an Biokraftstoffen - etwa, dass die CO2-Bilanz negativ sein soll oder dass Lebensmittel dadurch teurer werden?

In Europa werden derzeit circa 1,6 Prozent des Weizens für die Ethanolproduktion eingesetzt. Die Jahresschwankungen bei der Ernte können hingegen zehn Prozent betragen, haben also den zehnfachen Einfluss auf den Weizenpreis. Bei Holz ist die Frage, was man daraus macht. Etwa mit Pellets Häuser heizen oder man macht Diesel daraus.

Längerfristig ist das einfach eine wirtschaftliche Entscheidung. Es geht darum, was günstiger ist, ob es nicht besser ist, bei Häusern in Dämmung und Solarthermie zu investieren und das Holz für Treibstoffe zu verwenden. Ob sich Biokraftstoffe rechnen, hängt vom Ölpreis ab. Der Bauer verkauft das Holz demjenigen, der ihm dafür mehr zahlt.
Ihre Versuchsanlagen stehen im burgenländischen Güssing. Die Region bezeichnet sich so wie andere immer wieder als energieautark. Ist das realistisch?

Im ländlichen Raum kann das funktionieren. Es gibt hunderte Städte in Österreich mit einer Größe von Güssing - mit circa 4.000 Einwohnern. Da könnte man sicher viele auf erneuerbare Energieträger umstellen. Ein Problem hat man bei Großstädten wie Wien. Die bräuchten ein großes Einzugsgebiet. Österreich hat circa hundert Einwohner pro Quadratkilometer; da wird man nicht ganz Österreich mit erneuerbarer Energie versorgen können. Finnland und Schweden haben 20 Einwohner pro Quadratkilometer. Da geht das leichter. Für die Niederlande mit 400 Einwohnern pro Quadratkilometer ist das unmöglich.
Ganz auf Erneuerbare umstellen, hieße in der Tat, vollständig auf fossile Energieträger zu verzichten?

Ja. Güssing hat lange soviel Biodiesel produziert, wie in der Stadt an Treibstoffen verbraucht wurde. Derzeit werden in Güssing circa 95 Prozent der Wärme und über 100 Prozent des Stromverbrauches aus Erneuerbaren produziert. Energieautarke Gemeinden sind aber nicht von der Umwelt abgekoppelt. Man produziert soviel, wie verbraucht wird, was aber nicht heißt, dass das auch lokal verwendet wird. Rechnerisch geht sich das aber aus.
Eine Regierungskommission in Schweden hat einen Plan erstellt, wie das Land erdölfrei werden könnte. Ist so etwas realistisch?

Schweden hat viel Wasserkraft und eine geringe Bevölkerungsdichte. Um das Ziel zu erreichen sind aber sicher auch Ethanolimporte aus Brasilien notwendig. Manche Städte in Schweden haben schon jetzt statt einem Erdgasnetz nur ein Biogasnetz.
Ethanol aus Brasilien für Schweden klingt nach einer schlechten CO2-Bilanz.

Das kommt darauf an, wie der Treibstoff hergestellt wird. Man kann bei Zuckerrohr eine sehr gute CO2-Bilanz erreichen.
Selbst beim Transport nach Schweden wäre die Bilanz noch gut?

Ja. Es sollte aber kein Urwald für den Anbau gerodet werden. Ich hoffe, dass die Nachhaltigkeitskriterien, die derzeit von der EU entwickelt werden, auch umgesetzt und eingehalten werden.

Interview: Mark Hammer, science.ORF.at, 9.3.09
->   Europäisches Zentrum für erneuerbare Energie Güssing
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->   Erstmals synthetisches Erdgas aus Holz erzeugt
 
 
 
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01.01.2010