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Regulator für die Gehirnentwicklung nachgewiesen  
  Wiener Forscher haben einen Schlüsselregulator für die Teilung von Nervenstammzellen entdeckt. Sie können nun erklären, wie sich diese zu Nervenzellen entwickeln und gleichzeitig der Stammzellenvorrat erhalten bleibt.  
250.000 neue Nervenzellen pro Minute
Beim menschlichen Embryo entstehen um den 20. Tag nach der Befruchtung erste Vorläufer von Nervenzellen. Diese vermehren sich zunächst durch wiederholte Teilungen in immer gleiche Tochterzellen. Etwa am 26. Tag spezialisieren sie sich, es entstehen erste Nervenzellen. Am Höhepunkt der Gehirnentwicklung werden 250.000 neue Nervenzellen pro Minute gebildet.

Einen zentralen Mechanismus dafür, wie Nervenzellen entstehen, haben Wissenschaftler um den Neurobiologen Jürgen Knoblich vom Institut für molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien entschlüsselt. Ihre Arbeit haben sie in der Fachzeitschrift "Cell" (2009, Bd. 136, S. 913) veröffentlicht.
Asymmetrische Zellteilung
Bereits vor drei Jahren fand Knoblich einen ersten Schlüssel zum Verständnis dieses Phänomens. In Gehirnen von Fliegen identifizierte er das Protein Brat, das bei der Teilung von Nervenstammzellen immer nur an eine der beiden Nachkommen vererbt wird und damit deren Spezialisierung besiegelt.

Die andere Tochterzelle, die aus dieser asymmetrischen Teilung hervorgeht, behält ihren Stammzellcharakter und kann sich weiterhin unbegrenzt teilen. Mutationen im Brat-Gen führen durch ungezügelte Stammzellvermehrung zu tödlichen Tumoren im Fliegenhirn.
Regulator der Genregulatoren
Ob der Mechanismus der asymmetrischen Zellteilung bei Säugetieren auf ähnliche Weise reguliert ist, war bisher unbekannt. Nun gelang Knoblich und seinem Team die Entdeckung eines Brat-ähnlichen Faktors bei Mäusen. Das Protein mit dem Namen TRIM32 regelt im entstehenden Mäusehirn die sensible Balance zwischen Zellteilung und -differenzierung.

Auf der Suche nach dem Wirkmechanismus von TRIM32 stießen die Forscher auf Mikro-RNAs. Diese erst vor wenigen Jahren entdeckten kleinen Steuermoleküle greifen auf vielfältige Weise in die Regulierung des Zellstoffwechsels ein. Mindestens die Hälfte aller Gene, so schätzen Wissenschaftler, wird durch Mikro-RNAs reguliert.

Mit TRIM32 wurde nun erstmals ein Protein gefunden, das seinerseits Mikro-RNAs reguliert. "Unsere Entdeckung wird der bereits jetzt äußerst dynamischen Forschung mit Mikro-RNAs einen weiteren kräftigen Schub verleihen", ist der stellvertretende IMBA-Direktor Knoblich überzeugt.
Stammzellen schlummern im Gehirn Erwachsener
Der Wissenschaftler kann sich auch eine konkrete Anwendung seiner Erkenntnisse vorstellen. Werden Stammzellen im Labor kultiviert, etwa zu therapeutischen Zwecken, so könnte die Unterdrückung des Faktors TRIM32 eine besonders reiche Ausbeute von Stammzellen bewirken.

Möglicherweise könnten die Forschungsarbeiten auch Licht in die Frage bringen, ob und wodurch Nervenstammzellen, die noch im Gehirn erwachsener Menschen schlummern, angeregt werden können, neue Nervenzellen zu bilden.

[science.ORF.at/APA, 6.3.09]
->   Jürgen Knoblich
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01.01.2010