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Ältere Mütter haben kluge Kinder  
  Kinder von alten Vätern schneiden einer Studie zufolge bei Intelligenztests schlechter ab. Beim Nachwuchs alter Mütter ist es hingegen genau umgekehrt. Möglicherweise hat dieser Unterschied mit Mutationen zu tun, die sich in den Samenzellen der Männer anhäufen.  
Späte Kinderfreuden
Eltern werden immer älter, zeigt die Statistik. 1991 haben Frauen in Österreich ihr erstes Kind noch mit durchschnittlich 25,1 Jahren zur Welt gebracht, 2007 erst mit 28 Jahren. Bei Vätern gibt es laut Statistik Austria zwar nur Daten über eheliche Geburten, dennoch lässt sich sagen: Auch hier existiert ein ähnlicher Trend. Der statistisch gemittelte (und verheiratete) Jungvater war schon im Jahr 2000 mit 32,8 Jahren nicht mehr wirklich jung, und er ist es auch heute nicht. Aktueller Wert: 34,1 Jahre, Tendenz steigend.
Risiken für den Nachwuchs
Geht es um die körperlichen Folgen dieser Entwicklung, denken viele zunächst an die "tickende biologische Uhr" der Frauen. Denn die Fruchtbarkeit nimmt mit höherem Alter ab, im Gegenzug steigt das Risiko zu Erbdefekten und Problemgeburten. Späte Vaterschaft wird indes gerne als Zeichen hoher Vitalität gewertet - in diesem Zusammenhang verweist man(n) gerne auf Charlie Chaplin und Pablo Picasso, die Role Models der ergrauten und agilen Väter.

Dass die beiden zudem auch berühmt und bis ins hohe Alter schöpferisch tätig waren, wird dem affirmativen Grundton nicht geschadet haben. Aus medizinischer Sicht besteht dafür allerdings kein Anlass: Studien zufolge haben Kinder von Senior-Vätern nämlich mehr gesundheitliche Probleme. Statistisch nachgewiesen wurde etwa eine Häufung bei Fehlgeburten und Geburtsdeformationen, bei Krebs, Autismus und Schizophrenie dürfte es ebenfalls einen Zusammenhang geben.
Kleines Minus bei Intelligenztests
Wie Forscher um den australischen Mediziner John J. McGrath im Fachblatt "PLoS Medicine" (Bd. 6, e1000040) berichten, birgt das Familienmodell "Chaplin & Picasso" offenbar auch in geistiger Hinsicht Risiken. Das lesen McGrath und sein Team zumindest aus US-amerikanischen Geburtsdaten der 60er Jahre, die sie nun neu analysiert haben. Die Daten stammen aus dem "US Collaborative Perinatal Project" (CPP), bei dem mehr als 33.000 Kinder vom Baby- bis zum Schulalter begleitet wurden.

In dieser Zeit führten die CPP-Verantwortlichen verschiedene Tests durch, bei Kleinkindern überprüften sie etwa die Hand-Auge-Koordination sowie die Verarbeitung der Sinnesreize, bei Schulkindern dann die Fähigkeiten im Reden, Lesen und Rechnen. Das Ergebnis fiel erstaunlich klar aus: Kinder mit alten Vätern schnitten in allen Kategorien tendenziell schlechter ab (einzige Ausnahme: körperliche Koordination). Der Zusammenhang erwies sich zwar als "subtil", wie die Forscher schreiben, statistisch abgesichert ist er dennoch.
Alte Mütter sind von Vorteil
Interessanterweise gab es auch einen Trend in Bezug auf das Alter der Mütter, allerdings war der genau andersrum gelagert. Die Kinder alter Mütter schnitten bei den Tests nämlich durchwegs besser ab. Das hat man bereits in früheren Studien festgestellt und mit einer besseren Versorgung im fortgeschrittenen Alter begründet. Angesichts der Ergebnisse auf väterlicher Seite wird dieser Erklärungsansatz allerdings ein wenig brüchig.

Wenn das Versorgungsargument tatsächlich stimme, schreiben McGrath und Kollegen, dann gelte es nicht notwendigerweise auch für die väterliche Seite. Mit anderen Worten: Warum der sozioökonomische Hintergrund der Elternteile genau gegenläufige Tendenzen erzeugt, ist zurzeit unklar.
Erklärung in Fragmenten
Eine andere Erklärungsvariante versucht die Ursachen der Intelligenzschere auf der genetischen Ebene zu finden. Frauen bilden bekanntlich die größte Zahl ihrer Eizellen, während sie sich noch selbst im Mutterbauch befinden, bei Männern hingegen setzt die Spermienproduktion erst in der Pubertät ein und läuft dafür bis ins hohe Alter.

Die fortwährenden Teilungen der samenbildenden Zellen sowie schädliche Umwelteinflüsse könnten die genetische Qualität der "alten" Spermien herabsetzen, lautet das entsprechende biologische Argument. Und das würde die Nachkommen männlicher Senioren mit einem "Rucksack" voller Mutationen ins Leben schicken, was wiederum der Intelligenz abträglich sei.

Nach Ansicht der irischen Medizinerin Mary Cannon sind beide Erklärungswege durchaus plausibel. Sie schlägt in einem begleitenden Kommentar vor, sie nicht in Ausschließlichkeit zu verwenden, sondern beide Sphären zu verbinden, sprich: Modelle zu finden, in denen die Genetik und das Soziale ihren Platz haben. Wie die aussehen könnten, werden wohl erst spätere Studien zeigen.

[science.ORF.at, 10.3.09]
->   John J. McGrath
->   Mary Cannon
->   Statistik Austria
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01.01.2010