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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Klimatologisches Puzzlespiel  
  Sieht man von wenigen Skeptikern ab, gelten die Erwärmung des Erdklimas und deren negative Folgen als Faktum. Dennoch sollte man mit allzu einfachen Erklärungen vorsichtig sein, denn zahlreiche Wechselwirkungen sind komplizierter als vermutet, vieles nach wie vor unklar. So können etwa Aerosole sowohl zu einer Abkühlung als auch zu einer Erwärmung führen, eine Erwärmung der Luft zu mehr oder weniger Wolken.  
Widersprüchliche Wirkungsweisen
Eine wichtige Rolle in der Klimadebatte spielt die Luftverschmutzung, genauer Aerosole. Dies sind kleine flüssige oder feste Partikel, unter anderem aus Ruß, Staub und Schwefeldioxid. Durch Autos, Kraftwerke oder Heizungen gelangen große Mengen der Schwebeteilchen in die Atmosphäre.

Dass natürliche und menschengemachte Aerosole unser Klima beeinflussen, ist unbestritten. Doch wie genau, ist nicht völlig geklärt. In jedem Fall ist ihre Wirkung widersprüchlich.

Denn einerseits reflektieren sie Sonnenlicht zurück ins Weltall. Das heißt, wie ein riesiger Sonnenschirm verringern sie die Temperatur auf der Erdoberfläche. Andererseits absorbieren die Partikel auch Sonnenlicht, was zu einer Erwärmung führt. Abhängig ist das unter anderem von der Beschaffenheit der Teilchen und davon, in welcher Schicht der Atmosphäre sie sich befinden. Beide Effekte sind auch wesentliche Faktoren bei der Bildung von Wolken und Regen.
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Schlechte Datenlage
Dass man immer noch nicht genau weiß, wie sich die Aerosole langfristig auf das Klima auswirken, liegt laut dem Forscherteam um Kaicun Wang von der University of Maryland auch an der schlechten Datenlage. In ihrer Studie in der aktuellen Ausgabe von "Science" (Bd. 323, S. 1468) dpräsentieren die Wissenschaftler die erste globale Datenbank aller Messungen der letzten 35 Jahre.

Für die Datenbank verwendeten die Wissenschaftler Daten von 1973 bis 2007 von 3.250 verschiedenen meteorologischen Stationen auf der ganzen Welt und vom National Climatic Data Center. Dazu zählen unter anderem Messungen der Sichtverhältnisse. - Laut den Forschern ein guter Gradmesser für die Luftverschmutzung, denn Aerosole sind im Gegensatz zu Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen sichtbar.
Globale Verdunklung
Sichtbarkeit beschreibt dabei, wie weit ein Beobachter von einer Messstation sehen kann. Demnach nimmt diese Distanz mit einer steigenden Anzahl an Mikropartikeln ab. Die gesammelten Daten zeigen jedenfalls laut den Forschern eine deutliche Verschlechterung der Sichtverhältnisse. Das bestätigte auch ein Abgleich mit den verfügbaren Satellitendaten aus den Jahren 2000 bis 2007.

Die Aerosole haben sozusagen zu einer globalen Verdunklung geführt, besonders drastisch war der Anstieg in Asien. Nur in Europa gab es eine Verbesserung der Sichtverhältnisse.
"Die Datenbank ist ein wichtiger Schritt, um langfristige Auswirkungen der Luftverschmutzung zu untersuchen", so der Hauptautor der Studie. Das erste Mal hätte man damit globales Datenmaterial über die Luft über Land - die ja in erster Linie von der Verschlechterung betroffen ist - zur Verfügung.
Neue betroffene Gebiete
 
Bild: NASA, E.Steig

Manche Regionen sind zwar nach heutiger Wissenslage weniger von der steigenden Luftverschmutzung und dem Klimawandel betroffen, dazu zählt unter anderem die Antarktis. Allerdings häufen sich Anzeichen, dass auch diese zunehmend darunter leiden.
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Atmosphärische Veränderungen
So belegt eine weitere Studie im aktuellen Science (Bd. 323, S. 1470) die weitreichenden Folgen für das nur scheinbar unberührte Gebiet der antarktischen Halbinsel, der nördlichste Teil des Festlands. Dafür griffen die Forscher rund um Martin Montes-Hugo von der Rutgers University in New Brunswick ebenfalls auf Daten aus 30 Jahren zurück.

Atmosphärische Änderungen spielen auch hier eine zentrale Rolle. Demnach ist die Luft im Norden der Halbinsel in den letzten Jahren wärmer und zunehmend wolkiger geworden. Dadurch erreicht weniger Sonnenlicht den Ozean, was wiederum zu einem deutlichen Rückgang der Meeresalgen führt.
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Lebensgrundlage mancher Arten bedroht
Dabei ist Phytoplankton generell sehr wichtig im Kampf gegen die Erderwärmung, da es das Treibhausgas Kohlendioxid bindet. Regional fungiert es aber nicht nur als Puffer für schädliche Gase, sondern in erster Linie als Lebensgrundlage zahlreicher Lebewesen - als erstes Glied der Nahrungskette.

Laut den Forschern erklärt der beobachtete Rückgang des Phytoplanktons unter anderem, warum die Population mancher Pinguinarten zurückgegangen ist, andere im südlichen Teil der Halbinsel haben hingegen zugelegt. Dort gebe es nämlich in Folge der Erwärmung weniger Wolken und daher mehr Phytoplankton als zuvor.
Natürliche Beschleunigung der Erwärmung
Dass die fortschreitende Erderwärmung durch natürliche Einflusse noch beschleunigt werden könnte, legt eine dritte Studie im aktuellen "Science" (Bd. 323, S. 1443) nahe. Demnach hätten die sich ändernden Windbedingungen am Ende der letzten Eiszeit zu einer vermehrten Abgabe von CO2 aus dem südlichen Ozean geführt.

Das hat laut den Forschern rund um Robert Anderson die damalige Erwärmung verstärkt. Für ihn Grund genug, auch diese biogeochemischen Prozesse im Auge zu behalten, denn diese Effekte könnten zumindest manche der derzeitigen Maßnahmen gegen die Erwärmung wieder aufheben.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 12.3.09
->   Kaicun Wang
->   Martin Montes-Hugo
 
 
 
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01.01.2010