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Der traurige Tod der Dino-Gang  
  30 Jahre graben Paläontologen schon in der Wüste Gobi, seit sie erstmals Überreste einiger Saurier entdeckt haben. Seitdem haben sie ein gutes Dutzend komplett erhaltener Skelette freigelegt, nun stellt sich heraus: Auch bei Dinos gab es so etwas wie Jugendcliquen.  
Todesfalle Schlamm
Was sich vor 90 Millionen Jahren im Gebiet der heutigen Wüste Gobi ereignet hat, muss man wohl als urzeitliche Teenagertragödie bezeichnen. Eine Gruppe junger zweibeiniger Saurier, Straußenvögeln nicht unähnlich, lief in Rudelformation in Richtung eines halb ausgetrockneten Sees. Der Rudelführer steuerte direkt auf das von Schlamm und Schlick umgebene Seeufer zu. Vom Durst getrieben folgten ihm seine Artgenossen dicht dahinter, doch sie kamen nicht weit.

Die Tiere blieben im Schlamm stecken, versuchten sich durch heftiges Strampeln zu befreien und versanken dadurch noch tiefer in dem zähen Morast. Der See wurde zur tödlichen Falle für die ganze Gruppe. "Diese Tiere sind langsam verendet", sagt der US-amerikanische Paläontologe Paul Sereno. "Ihre heftigen Versuche frei zu kommen, waren vergebens. Sie haben höchstens Fleisch- oder Aasfresser angelockt."
"Streunende Jugendliche"
 
Bild: Todd Marshall, mit freundlicher Genehmigung von Project Exploration

Sereno hat soeben eine Studie über die Saurier namens Sinornithomimus dongi im Fachblatt "Acta Palaeontologica Polonica" (Bd. 53, S. 567) veröffentlicht. Darin weist er mit Kollegen aus China und den USA nach, dass die Urechsen aus der Gruppe der Ornithomimosauridae (zu Deutsch etwa: "Vögel nachahmende Echsen") höchst soziale Wesen waren.

Und nicht nur das: Der Fund im Westen der Inneren Mongolei zeigt, dass zumindest bei dieser Spezies Verbände Halbwüchsiger gang und gäbe waren. "Wir haben weder erwachsene noch ganz junge Tiere gefunden", sagt Sereno. "Diese Jugendlichen sind gemeinsam umhergestreunt."

Dass sich Saurier bisweilen gesellig verhalten haben, wusste man schon bisher. Letztes Jahr berichteten beispielsweise US-Forscher im Open-Access-Jounal "PLoS ONE" (Bd. 3, S. e2243) von versteinerten Fußabdrücken einer Dinoherde, deren Formation durchaus an jene von Elefanten oder Büffeln erinnert.
Soziale Momentaufnahme
Neu ist nun, dass es sich bei den Fossilien der Art Sinornithomimus dongi offenbar um eine Gruppe gleichaltriger Tiere handelt, die zwar noch nicht fortpflanzungsfähig, aber auch nicht mehr auf die Hilfe ihrer Eltern angewiesen waren. Das weiß man u.a. aufgrund der Wachstumsringe an den exzellent erhaltenen Knochen: Die Tiere waren zwischen ein und sieben Jahren alt, sie gaben sich nur mit Ihresgleichen ab.

Auch wenn der plötzliche Tod der Echsengruppe ohne Zweifel ein Geschenk für die Forschung ist, die Freude über den außergewöhnlichen Fund war nicht ganz ungetrübt, wie Sereno bekennt. "Ich war traurig, weil ich wusste, wie diese Tiere verendet sind."

Dass sich die Feinstruktur der Knochen und sogar die Laufformation des 13-köpfigen Rudels erhalten haben, erklären die Forscher mit einem ungewöhnlich raschen Absinken in tiefere Schichten. Die Fossilien blieben höchstens ein Jahr an der Erdoberfläche, dann waren sie im morastigen Erdreich verschwunden. "Wir kennen sogar die Größe ihrer Augäpfel. Sinornithomimus könnte einer der am besten verstandenen Saurier der Welt werden", sagt Sereno.
Ähnlichkeit zu Vogelfamilien
Gruppen herumstreunender Jugendlicher sind im Tierreich im Übrigen nichts Ungewöhnliches, zumindest nicht bei Vögeln. Bei Straußen und Raben schließen sich etwa Gleichaltrige aus dem einfachen Grund zusammen, weil ihre Eltern mit dem Ausbrüten der Eier und der Brutpflege beschäftigt sind. Sereno und seine Kollegen vermuten, dass es auch bei den 13 Sauriern aus der Kreidezeit so ähnlich war.

Das wäre nicht die erste Verhaltensähnlichkeit zwischen Sauriern und ihren gefiederten Nachfahren: Vögel zeichnen sich durch eine sehr "emanzipierte" Sozialstruktur aus, bei mehr als 90 Prozent der heute lebenden Vogelarten sind die Männchen an der Brutpflege zumindest beteiligt (zum Vergleich: bei Säugetieren sind es nicht einmal fünf Prozent). Eine Studie aus dem letzten Jahr (Science, Bd. 322, S. 1826) legt nahe, dass diese Eigenheit ebenfalls ein Erbe der Dinosaurier ist.

Robert Czepel, science.ORF.at, 16.3.09
->   Paul Sereno
->   Ornithomimosauria - Wikipedia
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->   Prähistorische Riesenschlange lebte im Treibhaus
->   Triceratops, Hirsch der Kreidezeit
 
 
 
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01.01.2010