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Abraham a Sancta Clara: Wortgewaltiger Rebell  
  Seine Predigten waren kurzweilig, seine Worte oft derb: Abraham a Sancta Clara brachte im 17. Jahrhundert völlig neue Töne in die Kirche und begeisterte die Massen. Vor fast 300 Jahren, am 1. Dezember 1709, starb der Barockprediger in Wien. Er wird von vielen Experten als bedeutendster Theologe seiner Zeit gesehen.  
Von diesem Donnerstag an treffen sich in seiner Geburtsstadt Leibertingen am Südrand der Schwäbischen Alb mehr als 100 Wissenschaftler aus aller Welt, um Abraham zu würdigen und dem Geheimnis des "Volkserziehers" auf den Grund zu gehen.
Der Prunk und die Pest
Er lebte in einer Zeit von Prunk und Pracht, Elend und Seuchen. Während die Bevölkerung von der Pest dahingerafft wurde, gestaltete die katholische Kirche ihre Gotteshäuser immer prächtiger aus. Die Messe wurde auf Latein gelesen, das Volk blieb zweitrangig. Da machten die kurzweiligen Erzählungen und Späße, die Abraham a Sancta Clara an seiner Wirkungsstätte in Wien von der Kanzel schickte, schnell die Runde. Zugleich war er ein engagierter Seelsorger.

"Als die Pest grassierte, hat er sich nicht zurückgezogen, sondern er hat den Menschen Mut zugesprochen", sagt Berta Rudolf, die ein Leibertingen ein kleines Abraham-Museum betreibt. "Er hat dem Volk aufs Maul geschaut." Und er habe den Mut gehabt, auch die Mächtigem im Land zu kritisieren. "Er hat die Fresserei und die Sauferei kritisiert, die Verschwendungssucht und den Neid. Und er war dabei sehr, sehr scharfzüngig", erzählt die Museumsleiterin.
Die Sache mit den Mistgabeln
Schriftlich überliefert ist zum Beispiel, was der Ordensmann von den tiefen Ausschnitten der Hofdamen hielt - nämlich nichts. "Die Frauen des Hofes sind es nicht wert, dass man sie mit einer Mistgabel anfasst", predigte er eines Sonntags.

Die Emotionen am Hof des Kaisers Leopold kochten hoch - und Abraham musste widerrufen. "Es tut mir leid, sie sind es doch wert", sagte er am Sonntag darauf auf seine ironisch-sarkastische Art. "Gerade deshalb haben ihn die einfachen Leute sehr ernst genommen", sagt Rudolf.
Naturtalent der Predigt
Auf die Welt kommt Abraham a Sancta Clara am 2. Juli 1644 als Johann Ulrich Megerle in Krähenheimstetten, einem heutigen Ortsteil von Leibertingen. Obwohl sein Vater ein Leibeigener ist, fällt die außerordentliche geistige Begabung des Buben auf. Er wechselt mit Zustimmung der fürstlichen Herrschaft zunächst in ein Jesuiten-Internat und tritt schließlich in Wien dem Augustiner-Orden bei.

Mit 22 Jahren empfängt er die Priesterweihe und nimmt den Ordensnamen Abraham a Sancta Clara an. Seine unterhaltsamen Predigten locken schnell Tausende Menschen an. In leicht verständlicher Sprache prangert er die Laster der Zeit an, spricht aber - was noch ungewöhnlicher ist - auch über Treue, Redlichkeit und Liebe.

Seine Ansprachen machen ihn derart populär, dass er zum Prediger am kaiserlichen Hof in Wien berufen wird. Als in der Stadt 1679 die Pest ausbricht, muntert Abraham a Sancta Clara die dezimierte Bevölkerung auf. Seine Kanzelreden werden sogar als Flugschriften verbreitet.

Als das osmanische Heer 1683 die Stadt Wien belagert, wird der Ordensmann durch seine Sprachgewalt ein wichtiges Propagandainstrument, um den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu stärken.
Moderne Sprachkraft
Von ihrer Wirkung haben die Texte bis heute nichts verloren, sagen Experten. 600 Schriftwerke sind überliefert. "Abraham wirkt in seinen Texten auffallend heutig und modern", sagt Anton Philipp Knittel, der Organisator des Symposiums in Leibertingen. "Als Prediger war er ein Virtuose, der nicht abstrakt blieb." Dafür schätzen ihn viele Theologen noch heute. Einige Seelsorger haben seine Texte in ihrer Materialsammlung.

In seinen schwäbischen Geburtsort ist Abraham a Sancta Clara nie zurückgekehrt. Und bis sein Bewunderer Martin Heidegger dort zu Abrahams 200. Todestag im Jahr 1909 ein Denkmal anregte, erinnerte sich kaum jemand an den berühmten Sohn der Gemeinde.

In diesem Jahr, zu seinem 300. Todestag, ist das anders. Abraham a Sancta Clara ist zur Marke geworden. Neben zahlreichen Veranstaltungen gibt es Postkarten mit seinem Porträt, und eine örtliche Brauerei vermarktet ein Abraham-Bräu.

[science.ORF.at/dpa, 18.3.09]
->   Abraham a Sancta Clara - Wikipedia
->   Abraham a Sancta Clara - Projekt Gutenberg
->   Abraham a Sancta Clara Jubiläumsjahr 2009
 
 
 
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01.01.2010