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Pflanzen-Sex: So finden die Spermien ihren Weg  
  Mit Farben, Düften und Blütennektar erwecken viele blühende Pflanzen die Aufmerksamkeit von Insekten. Nicht ganz uneigennützig, denn diese übertragen auch Pollen, ein wesentlicher Beitrag zur geschlechtlichen Fortpflanzung. Ganz ähnlich dazu produziert das weibliche Geschlechtsorgan bestimmter Pflanzen einen chemischen Lockstoff, um den letzten Schritt der Befruchtung zu steuern.  
Nach langer Suche hat ein internationales Forscherteam nun jenes Molekül gefunden, das dem nach der Bestäubung wachsendem Pollenschlauch den Weg zur weiblichen Eizelle zeigt. Der Zeitschrift "Nature" ist das immerhin eine Cover-Story wert.
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Die Studie "Defensin-like polypeptide LUREs are pollen tube attractants secreted from synergid cells" von Satohiro Okuda et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Nature" (Bd. 458, 19. März 2009, DOI: 10.1038/nature07882) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Viele Wege führen nach Rom

Durch geschlechtliche Fortpflanzung können sich die meisten Pflanzen nicht nur lokal, sondern auch über große Distanzen vermehren. Dabei werden Samen oder Sporen gebildet, die durch Wind, Wasser oder Tiere weiter verbreitet werden. Bis es allerdings soweit ist, müssen noch einige Stadien durchlaufen werden, die bei verschiedenen Pflanzengruppen durchaus unterschiedlich sind.

Bei den weit verbreiteten Bedecktsamer passiert folgendes: Die Pollen, also die männlichen Fortpflanzungszellen, werden durch Insekten auf der Narbe des Blütenstempels abgestreift oder durch Wind dorthin verfrachtet. Dort keimt das Pollenkorn, indem es den sogenannten Pollenschlauch bildet.

Dieser wächst bis zur Samenanlage, dem weiblichen Geschlechtsorgan. Durch den Schlauch gelangen die Spermazellen zum Embryosack, wo letztendlich die tatsächliche Befruchtung der Eizelle stattfindet. Durch den Pollenschlauch ist die Pflanze von einer wässerigen Umgebung unabhängig - seine "Erfindung" gilt daher als Durchbruch bei der Eroberung des Landes durch die Pflanzen.
Chemische Signale steuern den Pollenschlauch
 
Bild: Tetsuya Higashiyama

Der Pollenschlauch findet seinen Weg zum Embryosack

Für ihre aktuelle Studie haben die Forscher rund um Satohiro Okuda von der japanischen Nagoya University nun bei Torenia fournieri, einer weit verbreitete Pflanze, die auch unter dem Namen "Clowngesicht" bekannt ist, untersucht, wie der Pollenschlauch die Samenanlage ansteuert.

Schon lange wurde vermutet, dass chemische Lockstoffe für diesen Mechanismus verantwortlich sind, bis jetzt konnte laut dem Forscherteam aber noch kein eindeutiger Kandidat isoliert werden.
Und ewig lockt die Helferzelle
Laut den Forschern deutete vieles darauf hin, dass zwei Helferzellen neben der Eizelle ein artspezifisches Signal aussenden, um den Pollenschlauch das letzte Stück seines Weges zu weisen. Torenia fournieri eignet sich besonders für eine derartige Untersuchung, da sie einen hervorstehenden Embryosack besitzt. Die Helferzellen lassen sich daher relativ einfach entnehmen.

Bei ihrer Analyse wurden die Wissenschaftler tatsächlich fündig: Sie isolierten zwei cystinreiche Peptide aus der Gruppe der Defensine, die in den Zellen reichlich und überwiegend vorkommen - LURE1 und LURE2. Ein Test im Labor zeigte: Die beiden Peptide dienen tatsächlich der Orientierung. Sie wiesen den Pollenschläuchen auch im Reagenzglas den Weg.

Laut den Forschern spielen derartige Moleküle im gesamten pflanzlichen Fortpflanzungsakt eine wesentliche Rolle. Demnach produzieren die Helferzellen am weiblichen Fortpflanzungsorgan noch viel mehr dieser Lockstoffe - wen oder was sie anlocken, bleibt noch zu klären.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 19.3.09
->   Bedecktsamer (Wikipedia)
->   Defensin (Wikipedia)
->   Nagoya University
Mehr dazu in sience.ORF.at:
->   Studie: Langsame Pflanzen leben länger (24.9.08)
->   Protein weist Wurzeln den Weg (29.2.08)
->   Bienen fliegen auf große Blüten (3.10.07)
 
 
 
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01.01.2010