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Andere wissen, was uns glücklich macht  
  Menschen tun sich schwer vorherzusagen, ob sie sich bei einem zukünftigen Ereignis wohl fühlen werden oder nicht. Manche versuchen diesen Mangel durch Informationen auszugleichen. Vor einer geplanten Urlaubsreise studieren sie etwa stapelweise Reiseführer - am Urlaubsort sind sie dann trotzdem enttäuscht.  
US-Forscher haben einen Rat: Anstatt sich zu informieren, sollte man lieber jemanden fragen, der schon dort war. Erfahrungen aus zweiter Hand erlauben nämlich laut einer aktuellen Studie ganz generell genauere Prognosen, ob uns etwas gefallen wird.
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Die Studie "The Surprising Power of Neighborly Advice" von Daniel T. Gilbert et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Science"(Bd. 323, 20. März 2009, DOI: 10.1126/science.1166632) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Falsche Vorstellungen
Laut den Psychologen rund um Daniel T. Gilbert von der Harvard University, Autor des Bestsellers "Ins Glück stolpern", irren sich Menschen systematisch, wenn sie einschätzen sollen, wie sie ein zukünftiges Ereignis empfinden werden. Viele überschätzen etwa, wie unglücklich sie nach schlechten Prüfungsergebnissen oder einer entgangenen Beförderung sein werden. Manche verschätzen sich aber genauso auf der positiven Skala, etwa bei den Konsequenzen eines Geldgewinns oder beim Beginn einer Beziehung.

Die Vermutung der Forscher: Eine nur ungenaue Vorstellung führt zu den Fehleinschätzungen. Experimentelle Versuche, die Vorstellung von der Zukunft durch immer detailierte Informationen zu verbessern, seien aber bis jetzt fehlgeschlagen. Wie es aussieht, kann man das Problem rational nur begrenzt lösen. So entstand die Idee, die Sache von einer ganz anderen Seite anzugehen.
Die Menschen sind gar nicht so verschieden
Die Wissenschaftler berufen sich dabei auf den französischen Schriftsteller und Moralisten Francois de la Rochefoucauld (1613-1680): "Bevor man etwas brennend begehrt, sollte man das Glück dessen prüfen, der es bereits besitzt." Sprich: Man sollte jemanden befragen, der dasselbe schon einmal erlebt hat.

Die Sache hat natürlich auch einen Haken: Menschen sind verschieden, ebenso könnten sie sich in ihren emotionalen Reaktion unterscheiden.

Laut den Forschern spricht aber einiges dafür, dass Individuen in ihren Affekten gar nicht so unterschiedlich sind, wie wir immer meinen. Weltweit hätten es die Menschen lieber warm als kalt, sind lieber satt als hungrig, etc., egal, was sie glauben oder denken. "Tatsache ist, dass ein Außerirdischer, der alle Vorlieben und Abneigungen eines einzelnen kennen würde, bereits vieles über die gesamte menschliche Spezies wissen würde", so Gilbert.
"Second-Hand" Erfahrung schlägt Information
Um ihre Hypothese zu überprüfen, führten die Forscher zwei Experimente durch. Beim ersten mussten Frauen vorhersagen, wie sehr sie ein "Speed-Date" mit einem unbekannten Mann genießen würden. Die eine Hälfte erhielt eine Beschreibung des Mannes, vom Namen bis zu seinen Vorlieben plus ein Foto. Die anderen erfuhren nichts dergleichen, sondern nur wie wohl sich eine andere Frau beim Treffen mit demselben Mann gefühlt hatte.

Danach musste sie eine Prognose über ihr erwartetes Vergnügen abgeben. Das erstaunliche Ergebnis: Die Vorhersagen stimmten laut den Forschern viel häufiger mit dem tatsächlich Erlebten überein, wenn die Probandinnen ausschließlich die Erfahrungen der anderen zur Verfügung hatten. "Wenn man wissen will, wie sehr man ein Ereignis genießen wird, ist es offenbar besser, die diesbezüglichen Erfahrungen anderer zu kennen als irgendetwas über das Ereignis selbst zu wissen", so Gilbert.

Interessanterweise hätten beide Gruppen lieber die detailierten Informationen gehabt, in der Annahme, das hätte ihnen genauere Einschätzungen ermöglicht. Sogar bei einer Befragung nach dem Experiment hätten sie immer noch dieser Variante den Vorzug gegeben. Ein zweiter Test, in dem es um persönliche Bewertung ging, kam zu einem ganz ähnlichen Ergebnis.
Im "echten" Leben noch wirksamer
Die Forscher weisen darauf, dass dieser Effekt im "echten" Leben unter Umständen noch größer seine könnte. Denn im Gegensatz zum Experiment, würde man da bekannte oder vertraute Menschen fragen, die einem vermutlich viel ähnlicher als die zufällig ausgewählten Testpersonen sind.

Dennoch bezweifeln die Forscher, ob diese Erkenntnisse in der Realität tatsächlich umgesetzt werden können. Im Experiment hatten die Probanden keine andere Wahl als sich auf die Erfahrungen aus zweiter Hand zu verlassen.

Im Leben sei das leider anders: "Menschen glauben nun mal, dass man die genauesten Vorhersagen über die Zukunft machen kann, wenn man möglichst viel darüber weiß", so Gilbert. Im Allgemeinen würden sie ihr Vorstellungsvermögen einfach völlig überschätzen.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 20.3.09
->   Daniel T. Gilbert
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01.01.2010