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Erneuerbare Energien allein reichen nicht
Es braucht auch höhere Effizienz und niedrigeren Verbrauch
 
  Erneuerbare Energien gelten als Lösung, um das Energiesystem nachhaltig auszurichten und CO2-Emissionen zu senken. Ökonomische Modelle zeigen jedoch, dass alleine der Umstieg auf erneuerbare Energieträger für diese Ziele nicht ausreicht. Laut der Nachhaltigkeitsforscherin Andrea Stocker braucht es eine breite Strategie, durch die der Energieverbrauch insgesamt gesenkt wird.  
Weniger abhängig durch erneuerbare Energie?
Von Andrea Stocker

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich im Dezember 2008 beim EU-Gipfel in Brüssel auf ein Klima- und Energiepaket geeinigt. Es sieht unter anderem vor, dass bis 2020 zwanzig Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen (Wasser, Wind, Biomasse und Sonne) stammen sollen, wobei sich Österreich, das heute schon über dem EU-Ziel liegt, sogar zu einem Anteil von 34 Prozent verpflichtet hat.

Knapp 80 Prozent der heimischen Energie kommen aber immer noch von fossilen Energieträgern, wie Öl, Gas oder Kohle. Aufgrund geringer heimischer Vorkommen an diesen Brennstoffen hängt die österreichische Energieversorgung zu insgesamt knapp 70 Prozent von Importen ab. Der Gaslieferstopp von Russland über die Ukraine nach Westeuropa führte uns Anfang 2009 die negativen Auswirkungen dieser Abhängigkeit auf die Versorgungssicherheit vor Augen.

Dass fossile Energieträger immer knapper werden und damit die Preise steigen, scheint nun einem stärkeren Einsatz von erneuerbaren Energieträgern das Tor zu öffnen. So könnten nicht nur die treibhausschädigenden CO2-Emissionen eingedämmt, sondern kann zusätzlich auch die Abhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern verringert werden.
Sind 34 Prozent erneuerbare Energieträger realistisch?
Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurde untersucht, ob und wie dieses 34-Prozent-Ziel zu erreichen ist. Gemeinsam mit Vertretern einschlägiger Organisationen und mit Experten aus dem Energiebereich wurden drei Szenarien entwickelt, die unterschiedliche Strategien zum Ausbau von erneuerbarer Energie darstellen. Die Szenarien wurden mit einem Referenz-Szenario (weitere Entwicklung wie bisher ohne zusätzliche Maßnahmen) verglichen und deren Auswirkungen in einem mathematischen Wirtschaftsmodell berechnet.

Im kurzfristig orientierten Szenario "Stärken ausbauen" werden marktreife Technologien forciert und Wettbewerbsvorteile (z.B. im Export) gezielt ausgebaut. Im mittelfristig wirksamen Szenario "Biomassiv" wird aufgrund des speziellen heimischen Ressourcenprofils (z.B. Waldreichtum, Tradition, erfolgreiche Holzwirtschaft, Technologie-Know-how) und der aktuellen energiepolitischen Diskussion in Österreich der Bereich Biomasse besonders gefördert.

Im dritten Szenario - "Denk an morgen" (langfristig orientiert) - werden kostenintensive, aber gleichzeitig besonders zukunftsträchtige Technologien gefördert, ergänzt um bereits ausgereifte Technologien, die einen geringen Flächenbedarf aufweisen und damit langfristig nachhaltig sind.
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Das Projekt "Erneuerbare Energie in Österreich: Modellierung möglicher Entwicklungsszenarien bis 2020" wird vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie im Rahmen des Forschungsprogramms "Energiesysteme der Zukunft" gefördert. Die Szenarien beziehen sich aufgrund des zur Verfügung stehenden Budgets nur auf die Wärme- und Strombereitstellung und klammern den Verkehrssektor ebenso aus wie effizienzsteigernde Maßnahmen und die Sanierung des Wohnungsbestands.
->   Webseite des Projekts
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Erneuerbare Energie ausbauen und Energieverbrauch verringern
In keinem der Szenarien kann jedoch das für Österreich geltende EU-Ziel erreicht werden, 34 Prozent des Energieverbrauchs im Jahr 2020 aus erneuerbaren Quellen abzudecken. Der höchste Anteil kann mit 27,5 Prozent im Szenario "Denk an Morgen" realisiert werden. In "Stärken ausbauen" ist zu erwarten, dass der Anteil aus dem Jahr 2005 gehalten werden kann, während in "Biomassiv" sogar ein prozentueller Rückgang droht.

Durch eine Kombination der Szenarien miteinander könnten maximal 28,3 Prozent des energetischen Endverbrauchs durch erneuerbare Energie gedeckt werden. Allerdings muss bei diesen Berechnungen berücksichtigt werden, dass sich der Energieverbrauch bis zum Jahr 2020 deutlich erhöhen wird. Trotz des massiven Ausbaus können erneuerbare Energien daher den zusätzlichen Wärme- und Strombedarf nicht abdecken.
Mehr Effizienz, anderes Verhalten
Nur wenn zusätzlich über Effizienzmaßnahmen und Verhaltensänderungen der Energieverbrauch auf dem Niveau von 2005 stabilisiert würde, könnte der Anteil von erneuerbarer Energie sogar von 28,3 Prozent auf rund 37 Prozent erhöht werden.

Da sich der Anteil an erneuerbarer Energie nur relativ gering erhöht, sind jedoch auch die erwarteten CO2-Einsparungen gering. Zwar verbessert sich in allen Szenarien der CO2-Ausstoß im Vergleich zum Referenz-Szenario, da fossile durch erneuerbare Energie substituiert wird. Eine absolute CO2-Reduktion lässt sich jedoch über die Zeit nicht erreichen: Der Ausstoß steigt weiter an, wenn nicht gleichzeitig auch weniger Energie verbraucht wird.
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Schwerpunkt Energiegesellschaft
Die Initiative Risiko:dialog von Radio Österreich 1 und dem Umweltbundesamt widmet sich derzeit dem Thema Ressourcen. Bis Ende März 2009 gibt es dazu den Dialogschwerpunkt Energiegesellschaft. Im März 2009 findet dazu eine BürgerInnenkonferenz statt. Im Zuge des Schwerpunkts werden auf science.ORF.at etwa alle zwei Wochen Beiträge zum Thema Energie erscheinen.
->   Risiko:dialog
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Nachhaltigkeit nur bei geringerem Verbrauch
Die Ergebnisse zeigen klar, dass kein Weg daran vorbeiführt, den Energieverbrauch zu verringern. Nur den Anteil an erneuerbarer Energie zu erhöhen, reicht nicht aus, um die Energieabhängigkeit Österreichs zu reduzieren und den CO2-Ausstoß zu senken.

Nur wenn es gelingt über Effizienzsteigerungen und Verhaltensänderungen den Anstieg des Energieverbrauchs zu stoppen, können erneuerbare Energien die ihnen zugesprochene Rolle erfüllen: ein nachhaltiges Energiesystems zu erreichen.

[20.3.09]
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Über die Autorin
Mag.a Andrea Stocker, geboren 1972, studierte Umweltsystemwissenschaften mit Fachschwerpunkt Volkswirtschaftslehre an der Karl Franzens Universität Graz und arbeitete dort als Projektassistentin sowie als freie Forscherin im Bereich Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuniversität Wien. Seit 2003 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sustainable Europe Research Institute (SERI). Ihre Forschungsschwerpunkte sind Input-Output-Analyse und integrierte ökologisch-ökonomische Modellierung, Szenarienentwicklung, Politikintegration, Energie und Klima.
->   Andrea Stocker
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->   Alle Beiträge zum Schwerpunkt Energiegesellschaft:
 
 
 
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01.01.2010