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"Out of Africa" in mehreren Wellen  
  Afrika gilt als die Wiege des Menschen. Von dort hat er sich über die ganze Welt verbreitet, so die heute weitgehend akzeptierte Theorie. Umfangreiche Schädelanalysen Wiener Anthropologen bestätigen diese Annahme.  
Die Studie zeigte aber auch, wie variabel die Schädelformen der frühen modernen Menschen waren.

Laut den Forschern um Gerhard Weber ein Indiz dafür, dass sich der Mensch bereits innerhalb Afrikas in zahlreiche voneinander isolierte Bevölkerungsgruppen entwickelt haben muss, bevor er Europa und Asien in mehreren Wellen besiedelt hat.
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Die Studie "Early modern human diversity suggests subdivided population structure and a complex out-of-Africa scenario" von Gerhard Weber et al. ist in der aktuellen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (24.März 2009, DOI:10.1073/pnas.0808160106) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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200 Schädel vermessen und verglichen
Die Wissenschaftler von Webers Arbeitsgruppe "Virtual Anthropology" nahmen für ihre Studie Vertreter der Gruppe "frühe moderne Menschen" unter die Lupe, die in der Zeit vor 200.000 bis 100.000 Jahren in Afrika auftauchten und sich später über die ganze Welt verbreiteten. "Würde so ein Mensch heute irgendwo auftauchen, würde er jedenfalls von seinem Körperbau her nicht auffallen", so Weber. Schließlich handelt es sich bereits um Homo sapiens.

Die in verschiedenen Regionen Afrikas gefundenen Schädel wurden mittels modernster und von den Forschern eigens entwickelter Verfahren im Computertomographen (CT) durchleuchtet, digitalisiert und dann am Computer ausgewertet. Über mathematische Verfahren verglichen die Wissenschaftler fast 500 Messpunkte in jedem der 200 Schädel und verglichen die Ergebnisse dann mit anderen Gruppen von Menschen-Vorfahren und auch heute lebenden Menschen.
Große Variabilität der Formen
 
Bild: PNAS

Die Koordinaten entsprechen den drei prinzipiellen Komponenten der Schädelform. Die kleinen Kugeln repräsentieren die Individuen verschiedener (farblich gekennzeichneter) Gruppen. AMH (rot) steht für "Ancient Modern Human". Die Größe der Ellipse zeigt die Variabilität in der Gruppe.

Das Ergebnis hat auch die Anthropologen überrascht. Die frühen modernen Menschen weisen nämlich eine sehr große Variabilität der Schädelform auf, größer als bei allen anderen Gruppen an Vorfahren innerhalb der vergangenen 1,8 Millionen Jahre. Beispielsweise ist bei Neandertalern, Homo erectus oder Homo heidelbergensis die Variabilität wesentlich geringer.

Außerdem sind die Schädel der frühen modernen Menschen jenen von heute lebenden Menschen aus verschiedenen geografischen Verbreitungsgebieten sehr ähnlich, ähnlicher als jede andere Gruppe.
Hohe Mobilität
Die Resultate sind für die Debatte über die Entstehung des Menschen von großer Bedeutung. Denn Vielfalt einerseits und Ähnlichkeit andererseits lassen Weber vermuten, dass mehr als eine Population aus Afrika die Gründerpopulation der heute lebenden Menschen sein könnte. "Anstatt einer einzigen Auswanderungswelle - wie von anderen Theorien angenommen - aus Afrika etwa nach Europa, könnte es mehrere solcher Wellen gegeben haben", so der Anthropologe.

Die frühen Menschen dürften sehr mobil gewesen sein, lebten in zahlreichen, zeitweise von einander isolierten Populationen, wanderten mehrfach nach Eurasien aus, und kehrten - möglicherweise - zum Teil auch wieder zurück. Weber hält es sogar für wahrscheinlich, dass sie bei ihren Kontinentalwanderungen verschiedene Routen wählten, etwa auch über die Straße von Gibraltar.

[science.ORF.at/APA, 24.3.09]
->   Gerhard Weber
->   "Virtual Anthropology" (Universität Wien)
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01.01.2010