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Bioethikkommission für Stammzellforschung  
  17 zu fünf ist am Montag eine namentliche Abstimmung über die Zukunft der Forschung an embryonalen Stammzellen in der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt ausgegangen.  
In dem zweiteiligen Papier, das am Montag in Wien präsentiert wurde, spricht sich die Mehrheit dafür aus, dass bei der Befruchtung außerhalb des Mutterleibes (IVF) anfallende Embryonen in Zukunft für die Herstellung von embryonalen Stammzellen für die Forschung herangezogen werden dürfen (Position A).

Die Minderheit ist der Meinung, dass das "Verbot einer verbrauchenden Embryonenforschung" beizubehalten sei (Position B).
Zwei Positionen werden dargestellt
In einem allgemeinen Teil legen die Experten der Kommission aus den verschiedensten wissenschaftlichen Fachrichtungen den Stand der Disziplinen der Stammzellforschung, die ethischen Positionen sowie den Stand der rechtlichen Vorgaben in Österreich dar.

Diesen Abschnitt des Papiers haben laut Kommissions-Vorsitzender Christiane Druml alle Mitglieder unterschrieben. Für Druml war eine einhellige Meinung der Kommission zum Thema embryonale Stammzellen nicht zu erwarten, daher die Wahl einer zweigeteilten Darstellung.

Die Bioethikkommission hat bereits im Jahr 2004 für das Thema Präimplantationsdiagnostik (PID) eine solche Vorgangsweise gewählt.
Plädoyer für ein gesetzliche Regelung
In Position A bemängeln die 17 unterzeichnenden Wissenschaftler die mangelhafte Rechtslage zur Forschung an Stammzellen in Österreich.

So ist zwar die Herstellung von embryonalen Stammzellen im Fortpflanzungsmedizingesetz verboten, der Import von embryonalen Stammzelllinien und die Forschung sind dagegen nicht geregelt und somit erlaubt.

Generell halten es die Befürworter von Position A für nötig, ein eigenes Gesetzeswerk zu schaffen, etwa ein "Stammzellforschungsgesetz".
"Moralisch grundsätzlich legitim"
Die Forschung an embryonalen Stammzellen halten die Unterzeichner dieses Papierteils für wissenschaftlich relevant, "moralisch grundsätzlich legitim" und außerdem für förderungswürdig.

In neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen sollte daher die Gewinnung solcher Zellen aus überzähligen, nicht mehr benötigten Embryonen der IVF erlaubt werden. Die Herstellung von Embryonen ausschließlich für die Forschung sollte dagegen verboten bleiben.
Kein Verbot von Zybriden
In Position A sprechen sich die 17 Experten auch gegen ein Verbot von therapeutischem Klonen oder auch des Einsatzes sogenannter Zybriden aus. Bei letzterer Technik werden Kerne von menschlichen Körperzellen in tierische Eizellen - etwa von Rindern - verpflanzt.

"Dabei geht es keinesfalls um die Herstellung irgendwelcher Mischwesen, wie immer wieder behauptet, sondern etwa um die Klärung offener technischer Fragen bei der Stammzellforschung", sagte Kommissionsmitglied Christine Mannhalter.

Um eine strenge Kontrolle von Forschungen an embryonalen Stammzellen zu gewährleisten, empfehlen die Wissenschaftler als Begleitmaßnahme die Schaffung einer eigenen Kommission sowie eines Registers.
Debatte um embryonale Stammzellen
 
Grafik: APA, Quelle: APA

Minderheit für Beibehaltung der Situation
Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen und damit auch das "Verbot einer verbrauchenden Embryonenforschung" beizubehalten, empfehlen fünf Mitglieder der Bioethikkommission in Position B. Sollte es dennoch ein eigenes Forschungsgesetz dazu geben, sollte das Verbot ausdrücklich verankert werden.

Für die Befürworter dieser Position sind humane embryonale Stammzellen für Therapien ungeeignet, "weil viel zu risikoreich", sie spielen etwa auf die immer wieder beobachtete Krebsbildung bei Experimenten mit Stammzellen an. Auch sei deren Einsatz aufgrund von Alternativen gar nicht nötig.

Die Experten verweisen dabei etwa auf adulte Stammzellen und induzierte pluripotente Stammzellen (IPS), das sind reprogrammierte Körperzellen, die ähnlich wie embryonale Stammzellen funktionieren sollen. Darauf sollte sich die Forschung und auch die öffentliche Förderung konzentrieren.
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Für Position A haben sich ausgesprochen: Christiane Druml, Helmut Fuchs, Karin Gutierrez-Lobos, Peter Kampits, Ludwig Kaspar, Ursula Köller, Christian Kopetzki, Ulrich Körtner, Barbara Maier, Christine Mannhalter, Daniela Prayer, Anita Rieder, Marianne Springer-Kremser, Michaela Strasser, Ina Wagner, Ernst Wolner und Kurt Zatloukal. Für Position B stimmten: Josef Isensee, Gerhard Luf, Johannes Meran, Günther Pöltner und Günter Virt.
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Forscher begrüßen mögliche Liberalisierung
Als eine "sehr gute Sache" bezeichnete Meinrad Busslinger, Senior Scientist am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien, die von der Bioethikkommission abgegebene Empfehlung einer Liberalisierung der Embryonenforschung. Mit einer "klaren Regelung und Rechtssicherheit" sei es auch vorstellbar, dass mit humanen embryonalen Stammzellen (ES) arbeitende Wissenschaftler "nach Österreich rekrutiert werden können", so der Wittgensteinpreisträger 2001.

Bisher habe es von offizieller Seite her häufig geheißen, dass Embryonenforschung in Österreich nicht möglich sei, "was nicht wahr ist". "Der Zustand, dass die Forscher nicht wissen, was erlaubt oder nicht erlaubt ist, muss mal weg", so der Molekularbiologe. Auch trage ein solcher Zustand international zu keinem guten Image bei.

Für Busslinger geht es derzeit bei der Embryonenforschung vor allem um die Frage, wie man humane ES "in wohldefinierte Zelltypen ausdifferenzieren kann". Der Weg zur kontrollierten medizinischen Anwendung "ist noch ein steiniger", ihr therapeutischer Einsatz noch weit weg.
Hahn wartet ab
Keine inhaltliche Bewertung nahm Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) in einer ersten Reaktion vor. Er sprach sich dafür aus, "rasch die gesetzlichen Graubereiche zu klären und die Empfehlungen breit zu diskutieren". "Die Bio-Ethik Kommission hat gemäß ihrer empfehlenden Rolle eine Landkarte ausgerollt. Nun ist es an der Politik, zu bestimmen welchen Weg wir gehen und wie weit", so Hahn, der laut einer Aussendung eine abschließende Bewertung der Empfehlungen erst nach einer intensiven Debatte für sinnvoll erachtet.

[science.ORF.at/APA, 23.3.09]
->   Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt
->   Institut für Molekulare Pathologie
->   Wissenschaftsministerium
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Ulrich Körtner: Stammzellforschung - Diskussionsstand in Österreich (16.1.09)
->   Expertenstreit: Hybride, Zybride oder Embryonen? (23.5.08)
 
 
 
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01.01.2010