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Schlaf "reinigt" das Gehirn  
  Schlafen muss jeder. Warum, ist allerdings immer noch nicht restlos geklärt. Vieles deutet darauf hin, dass es vor allem für das Gehirn wesentlich ist: Erlebtes und Gelerntes wird dabei verarbeitet und gespeichert.  
Zwei aktuelle Studien an Fruchtfliegen zeigen nun, dass Schlaf auch eine reinigende Wirkung hat: Währenddessen werden überflüssige Nervenverbindungen gekappt. Danach ist das Gehirn sozusagen wieder frisch und bereit, Neues zu lernen.
"Ruheloses" Organ
Schlafend oder wachend - das Gehirn von Menschen und Tieren arbeitet quasi permanent: Ständig werden neue Verbindungen gebildet, um Erinnerungen zu festigen und um sich Erlerntes zu merken. Laut dem US-amerikanischen Neurobiologen Paul Shaw lässt sich das aber nicht grenzenlos fortsetzen. Manches muss auch wieder verschwinden. Möglicherweise diene der Schlaf genau diesem Zweck, der Reduktion und der Säuberung.

Diese Hypothese hat Shaw und sein Team nun in einer Studie (Science, Bd. 324, S. 105) nun an der Fruchtfliege Drosophila untersucht. Der beliebte Modellorganismus eignet sich laut den Forschern dafür sehr gut. Die Fliegen seien dem Mensch im Schlafverhalten nämlich recht ähnlich. Unter anderem versuchen sie auch, versäumten Schlaf nachzuholen.
Lernen und Anstrengung erhöhen Schlafbedürfnis
Dass Schlaf Lerneffekte verstärkt, hat das Team rund um Shaw schon in früheren Studien an Fruchtfliegen festgestellt. Die Experimente hatten aber auch gezeigt, dass Lernen das Schlafbedürfnis erhöht. Das Gleiche gilt für eine "anstrengende" Umgebung. Dafür hatten sie Fruchtfliegen auf engen Raum mit Artgenossen eingesperrt. Diese schliefen danach durchschnittlich zwei bis drei Stunden länger als "einsame" Tieren.

Für die aktuelle Studie haben sie ihre Versuche fortgesetzt. Die Fruchtfliegen wurden dafür genetisch so verändert, dass die Forscher die Entwicklung von Synapsen direkt beobachten konnten. Tatsächlich entstanden während Lernsituationen und in einem engen sozialen Umfeld neue Verbindungen. In der folgenden Phase des erhöhten Schlafbedürfnisses ging die Anzahl aber wieder deutlich zurück, außer die Tiere wurden am Schlafen gehindert.

Die Forscher haben drei Gene identifiziert, die vermutlich für diesen Zusammenhang zwischen Lernen und Schlafen verantwortlich sind, eines davon wird schon länger mit der Plastizität des Gehirns in Verbindung gebracht. Waren die drei ausgeschaltet, blieb der Schlafbedarf unabhängig von der Situation immer gleich.
Verbindungen können nicht beliebig wachsen
 
Bild: Science, Chiara Cirelli

Ein schlafendes und ein waches Fruchtfliegengehirn

Bestärkt werden die Ergebnisse durch eine zweite Studie (Science, Bd. 324, S.109) ebenfalls an Fruchtfliegen. Forscher rund um Giorgio F. Gilestro von der University of Wisconsin verfolgen dabei einen ganz ähnlichen Ansatz.

Demnach werden die Verbindungen im Gehirn immer stärker und zahlreicher, während man wach ist und sich permanent mit der Umgebung auseinandersetzt.

Der Schlaf hingegen bewirke das Gegenteil, das heißt, Verbindungen werden schwächer oder verschwinden ganz. Laut den Forschern ist das auch sinnvoll, denn starke Verbindungen kosten sehr viel Energie. Daher werde der unnötige Ballast, sozusagen das Hintergrundrauschen des Tages, einfach "gelöscht".
Nächtlicher "Putztrupp"
Mittels Mikroskopie haben die Wissenschaftler dafür ein bestimmtes Protein in den Synapsen der Fruchtfliegen untersucht. Da es auch mit der Flugfähigkeit der Tiere in Zusammenhang steht, trägt es den Namen "Bruchpilot" (BRP). Im Gehirn ist es für die Kommunikation zwischen den Nervenzellen zuständig.

Für eines ihrer Experimente haben die Wissenschaftler einen Teil der Fliegen künstlich wachgehalten. Der Anteil des Proteins in den Nervenverbindungen stieg dabei deutlich an. Durch Schlaf sank der Spiegel von BRP und der von vier weiteren Proteinen wieder ab, um 30 bis 40 Prozent, bei den Tieren mit Schlafentzug blieb er unverändert hoch (siehe Abbildung oben).

Die Forscher haben dem Gehirn quasi beim "Putzen" zugeschaut. "Das meiste, was wir tagsüber lernen oder erleben, müssen wir uns wirklich nicht merken. Und um Platz für Neues zu schaffen, kehren wir den Müll im Schlaf einfach raus," so die eigentlich recht plausible Erklärung der Co-Autorin Chiara Cirelli.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 3.4.09
->   Paul Shaw
->   Giorgio F. Gilestro
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->   Schlaf: Unverzichtbar, aber rätselhaft (29.8.08)
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01.01.2010