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Biotech-Start-ups in Österreich
Aufholprozess in Europa
 
  Junge Unternehmen in der Biotech-Branche haben es nicht leicht: Nur etwa jedes zehnte schafft es, ein marktfähiges Produkt zu entwickeln. Dennoch ist in den vergangenen zehn Jahren eine Reihe dieser Start-ups in Österreich entstanden, die wirtschaftlich überleben konnten. Über die aktuelle Situation gibt ein Buch Bescheid, das vor kurzem erschienen ist.  
Alexandra Gruber, die Autorin des Buchs und Global Marketing Manager von Baxter Vaccines, sieht Erfolge der Branche, aber auch Defizite.

In einem Interview spricht sie über die Finanzierungsmöglichkeit und Erfolgswahrscheinlichkeit der Biotech-Start-ups und beklagt die mangelnde Risikokultur in Österreich.
science.ORF.at: Wie schwer ist es in Österreich Biotech-Start-ups zu finanzieren?

Alexandra Gruber: In den vergangenen rund zehn Jahren hat sich eine kleine, aber feine Biotech Szene etabliert, und das, obwohl die Finanzierung von Start-ups im Life Science Bereich immer schon eine große Herausforderung gewesen ist.

Generell gibt es drei Hauptformen der Finanzierung, in denen sich Österreich nicht allzu sehr von vielen anderen europäischen Ländern unterscheidet: öffentliche Fördergelder, Risikokapital und strategische Allianzen. Darüber hinaus gibt es in Österreich viele individuelle Finanzierungsansätze, die Biotech Start-Ups gewählt haben, um sich ihr "Überleben" zu sichern.
Wie funktioniert die Finanzierung üblicherweise?

Öffentliche Fördergelder stammen in erster Linie von AWS (Austria Wirtschaftsservice), FFG (Forschungsförderungsgesellschaft), WWFF (Wiener Wirtschaftsförderungsfonds) und ZIT (Zentrum für Innovation und Technologie). Die Fördergelder werden als Kapital geschätzt, gelten allgemein als gründerfreundlich und eher unbürokratisch.

Nach der Erstfinanzierung beginnt die schwierigere Phase der Anschlussfinanzierung, bei der im besten Fall eine frühe Risikokapitalbeteiligung gefunden wird. Österreichische Biotech Start-Ups konkurrieren dabei auf globaler Ebene nicht nur mit anderen Biotech Start-Ups, sondern auch mit Unternehmensneugründungen aus anderen Branchen wie z.B. IT- und Telekommunikation. Diese schaffen den Durchbruch üblicherweise schneller als Biotechs mit ihren langen und kapitalintensiven Entwicklungszeiten.
Viele Start-Ups versuchen ab einer bestimmten Phase mit etablierten Life Science Unternehmen zusammenzuarbeiten.

Meistens beginnt die Suche danach schon während der Anschlussfinanzierung und fortschreitenden Produktentwicklung. Diese strategischen Allianzen bieten mehrere Vorteile: gegenseitige wissenschaftliche Befruchtung, Validierung eines neuen Produkts von einem etablierten Unternehmen sowie Zugang zu etablierten Marketing- und Vertriebskanälen.

Es gilt als "Gütesiegel" für ein junges Biotechnologie-Unternehmen, von einem anerkannten wahrgenommen zu werden. Das kann auch bei der Suche nach weiteren Investoren sehr hilfreich sein. Andererseits kann eine zu früh geschlossene Partnerschaft mit einem etablierten Pharmaunternehmen bedeuten, dass das Jungunternehmen unter seinem Wert abgegeben wird.
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Buchhinweis
Das Buch "Biotech Funding Trends. Insights from Entrepreneurs and Investors" von Alexandra Gruber ist vor kurzem im Wiley-Verlag erschienen.
->   Das Buch bei Wiley
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Sie haben internationale Vergleiche unternommen, wo steht Österreich dabei?

Generell haben meine Interviews gezeigt, dass sich in Österreich eine sehr lebhafte Biotech Szene mit vielen hochqualifizierten Entrepreneuren entwickelt hat. Dazu tragen einige Erfolgsgeschichten bei, wie z.B. jene des Start-Ups Intercell mit der vor kurzem erfolgten Zulassung des ersten Produkts, ein Impfstoff gegen Japan-Encephalitis. Oder die Rückkehr des Genetikers Josef Penninger aus Kanada nach Wien zur Leitung des IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie).

Die Erfolge sind auch dahingehend beachtlich, da wir weder eine Gesellschaft sind, die es gewohnt ist, hohe Mittel an Risikokapital für Start-Ups zur Verfügung zu stellen wie z.B. in Großbritannien, noch über eine so lange Pharma/Biotech-Kultur verfügen wie etwa in der Schweiz. Dennoch haben wir in den letzten Jahren vor allem im Bereich der Forschung gegenüber Ländern wie Großbritannien, Schweden, Schweiz und Deutschland aufgeholt. Dadurch hat Österreich auch stärker internationale Investoren angezogen.
Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Defizite in Österreich?

Österreich hat sicher noch einigen Nachholbedarf in Sachen unternehmerisches Denken und Handeln. Hier passiert im Moment noch zu wenig, die Problematik beginnt schon bei den "Unternehmern von morgen" in der Schule und zieht sich danach weiter an die Universitäten.

Viele der Biotech Entrepreneure - und das betrifft natürlich nicht nur Österreich - haben letztlich für die Gründung ihrer Unternehmen einen gesicherten Arbeitsplatz an Universitäten oder der Industrie aufgegeben, um ihrem Traum zu folgen. Und das mit allen Risiken, denn tatsächlich schafft es nur ungefähr eines von zehn Biotech Start-Ups, ein marktfähiges Produkt zu entwickeln.

Neben den finanziellen Risiken, kommt dann in vielen Fällen auch noch das Unverständnis von Freunden und Verwandten dazu, die einen solchen Schritt heraus "aus einem geschützten Umfeld" nur schwer verstehen können.
Sie kritisieren auch die mangelnde Risikokultur in Österreich ...

Einer meiner Interviewpartner hat das sehr treffend so formuliert: "Während in Amerika das Wort 'risk' für 'Chance' steht, neigt man im deutschsprachigen Raum vielmehr dazu, das Wort mit 'Gefahr' zu umschreiben". Es ist für Entrepreneure hierzulande schlimm, wenn es ihre Firma nicht schafft, z.B. wenn es mit einer Anschlussfinanzierung nicht klappt.

Sie werden dann in vielen Fällen zu Unrecht von ihrer Umgebung stigmatisiert. Auch hier zeigt der Blick nach Amerika, dass Scheitern allgemein und der Konkurs im Speziellen natürlicher Bestandteil jeder Wirtschaft ist. Es ist viel entscheidender, welche Erfahrungen man als Unternehmer aus einem solchen Prozess mitnimmt, die man danach zum Erfolg des nächsten Start-Ups einbringen kann.
Von den fünf in Ihrem Buch untersuchten Firmen ist mittlerweile eine in Konkurs. Entspricht diese Rate dem Durchschnitt in Österreich, haben Sie dazu Zahlenmaterial?

Alle meine Biotech Case Studies hatten bereits öffentliche Fördergelder erhalten, was an sich schon ein positives Vorselektionskriterium ist, denn auch diese Gelder gehen nur an einen eingeschränkten, qualifizierten Empfängerkreis. Insgesamt gesehen unterscheidet sich Österreich in der Erfolgswahrscheinlichkeit nicht von anderen europäischen Ländern.

Entscheidender ist für Biotech Start-Ups die Bewertung ihrer Produkte anhand der einzelnen Phasen der Produktentwicklung. Hier gibt es Richtwerte, wie wahrscheinlich die Phasen Research - Präklinik - Klinik (Phase I, II und III) erreicht werden. So beträgt die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Produktkandidaten in der Research Phase nur ca. fünf Prozent, in der Präklinik ca. zehn Prozent und steigt dann bis zur Phase III auf ca. 50 bis 90 Prozent.
Gibt es einen Ratschlag, den sich künftige Biotech-Betriebe nach Lesen Ihres Buchs "hinter die Ohren schreiben" können?

Ich habe versucht, das Spannungsfeld aufzuzeigen, in dem sich Entrepreneur und Investor bewegen. Während der eine (Entrepreneur) vor allem die Wissenschaft im Auge hat, interessiert den anderen (Investor) am meisten, wie er rasch einen Ertrag aus den investierten Geldern zurückbekommen kann. Beide Seiten sprechen dabei ihre eigene Sprache und es ist oft eine große Herausforderung, die Interessen so aufeinander abzustimmen, dass das Start-Up und seine Produktentwicklung davon profitieren.

Neben dieser sachlichen Ebene spielt sich aber auch sehr viel auf der zwischenmenschlichen Ebene ab. Es bringt wenig, wenn sich der "beste Entrepreneur" und der "beste Investor" zusammentun, und die "Chemie" zwischen den beiden nicht stimmt. Beide Seiten müssen sich im Klaren sein, dass es um eine langfristige Partnerschaft geht, die im besten Fall erst gemeinsam z.B. mit dem erfolgreichen Verkauf des Unternehmens endet.

In dieser Partnerschaft ist gegenseitiges Vertrauen ein Schlüssel zum späteren Erfolg. Daher möchte ich vor allem den Entrepreneuren den Rat mitgeben, sich vorher genau anzusehen, wie gut man mit seinem Investor fachlich, aber auch menschlich zurecht kommt, und auszuloten, wie sehr sich die Interessen tatsächlich decken.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 12.4.09
->   Alexandra C. Gruber
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01.01.2010