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Buntes Herbstlaub: Eine Warnung für Insekten  
  In frischem Grün zeigen sich jetzt im Frühling Sträucher und Bäume. Aber in spätestens einem halben Jahr werden sie ihre Blätter wieder abwerfen, um sich vor dem Frost des Winters zu schützen. Davor verändern sie ihre Farbe. Warum, war bisher nicht restlos klar. Eine aktuelle britische Studie an Apfelbäumen belegt eine der geläufigen Hypothesen: Das Rot soll Schädlinge abschrecken.  
Kultivierte Apfelbäume verfärben sich demnach deshalb viel seltener, da sie im geschützten Raum den Abwehrmechanismus nicht mehr benötigen.
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Die Studie "Evidence from the domestication of apple for the maintenance of autumn colours by coevolution" von Marco Archetti ist in der aktuellen Ausgabe der "Proceedings of the Royal Society B" (15. April 2009, DOI: 10.1098/rspb.2009.0355) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Biochemische Veränderungen
Viele Bäume und Sträucher verändern im Herbst ihre Farbe. Gelb entsteht durch die Verringerung des Chlorophylls, dadurch werden Farbstoffe sichtbar, die sich bereits im Blatt befanden. Das Rot hingegen wird direkt produziert, verantwortlich dafür sind die sogenannten Anthocyane, eine Gruppe sekundärer Pflanzenstoffe.

Soweit die biochemische Erklärung, auf die Frage nach dem evolutionären Sinn dieser Anpassung gab es jedoch bisher keine eindeutige Antwort, sondern nur einige Hypothesen.
Farbstoffe als Schutz
Eine davon besagt etwa, dass die neugebildeten Stoffe die alternden Blätter vor den schädlichen Einflüssen des Lichts an kühlen Tagen schützen (Plant Physiology, 2001). Der Baum könne so auch mehr Nährstoffe aufnehmen.

Laut dieser Theorie müssten sich eigentlich alle Bäume verfärben, das ist aber nicht der Fall.
Läuse bevorzugen grüne Blätter
Eine andere Hypothese behauptet, die Verfärbung sei ein Ergebnis der Koevolution mit Insekten. So legen etwa viele Läuse ihre Eier im Herbst auf Bäumen ab, von wo aus im Frühjahr die neue Generation ausschwärmt. Die Blattfarbe könnte laut dem Zoologen Marco Archetti von der University of Oxford ein Zeichen für die Qualität des Unterschlupfs sein.

Rot signalisiere demnach vermutlich eine schlechtere Versorgungslage und würde so die winzigen Schädlinge von der Pflanze fernhalten. Immerhin weiß man bereits aus früheren Studien, dass Läuse tatsächlich grünblättrige Bäume bevorzugen.
Zuchtapfelbäume verfärben sich weniger
Zur Überprüfung hat der britische Forscher nun wilde und kultivierte Apfelsorten verglichen - laut Archetti ideale Vergleichsobjekte, da Zuchtäpfel sich relativ geschützt ohne Insekten weiterentwickeln könnten. Wenn die Koevolutions-These stimmt, müssten sich ihre Blätter also in einem geringeren Ausmaß verfärben.

Im Rahmen der Studie stellte der Wissenschaftler nun tatsächlich fest, dass von den 2.170 gezüchteten Apfelsorten in Großbritannien lediglich 2,8 Prozent im Herbst rote Blätter bekommen, bei den wilden Verwandten dieser Pflanzen, die noch immer im heutigen Kirgisistan und Kasachstan wachsen, sind es hingegen 62,2 Prozent.

Auch die Fitness der Schädlinge brachte einen weiteren Beleg für die These. Auf den grünblättrigen Bäumen hatten sich im Frühjahr eindeutig die größeren Populationen entwickelt.
Gute Versorgungslage und weniger krankheitsanfällig
Zur weiteren Erhärtung untersuchte Archetti den ebenfalls von Läusen verursachten und von Landwirten gefürchteten Feuerbrand. Seine Vermutung: Sorten, die empfänglicher für diese Krankheit sind, müssten sich eher rot verfärben als weniger gefährdete Arten. Auch diesen Zusammenhang bestätigt die aktuelle Studie.

Außerdem haben die Apfelbäume mit sich rot verfärbenden Blättern laut dem Forscher deutlich kleinere Früchte. Ein Indiz dafür, dass sie noch viel näher mit ihren wilden Vorfahren verwandt sind.

Von der Verfärbung der Blätter profitieren würden bei dieser These jedenfalls beide Seiten: Der Baum ist vor Schädlingen geschützt und Schädlinge erkennen vielversprechenden Wirte.

[science.ORF.at, 16.4.09]
->   Anthocyane (Wikipedia)
->   Marco Archetti
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Feuerbrand: Bekämpfung hinterlässt Spuren (31.3.09)
->   Protein in Blättern lässt Blumen blühen (20.4.07)
->   Warum Pflanzen immer pünktlich blühen (12.8.05)
 
 
 
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01.01.2010