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Schwere Geburt auch beim Neandertaler  
  Trotz einiger anatomischer Unterschiede war laut einer aktuellen Studie der Geburtsvorgang schon beim Neandertaler ähnlich schwierig wie beim modernen Menschen.  
Darauf deutet die Rekonstruktion des Geburtskanals auf der Basis fossiler Beckenknochen.
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Die Studie "Neandertal birth canal shape and the evolution of human childbirth" von Timothy D. Weaver und Jean-Jacques Hublin ist in der aktuellen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (21. April 2009, DOI: 10.1073/pnas.0812554106) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie (sobald online)
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Schwere Geburt
Die Geburt von Kindern ist beim Menschen im Vergleich zu anderen Primaten relativ kompliziert. Der Grund dafür: Menschliche Neugeborene sind ungefähr gleich groß wie der Geburtskanal, das erschwert das Durchkommen.

Man vermutet, dass diese Erschwernis eine notwendige Folge der menschlichen Evolution ist. Der aufrechte Gang begrenzt die Größe des Beckens, das Gehirn und somit der Kopf der Babies ist aber schon recht groß.

Die Spuren dieser Entwicklung sind aber sehr schwierig zu rekonstruieren, da es kaum fossile Überreste von Beckenknochen gibt, welche die Breite des Geburtskanals begrenzen. Laut Timothy Weaver und Jean-Jacques Hublin gibt es vom Neandertaler lediglich drei relativ komplett erhaltene fossile Geburtskanäle, die alle aus sehr frühen Phasen der Evolution stammen.
Rekonstruktion des Geburtskanals
 
Bild: Tim Weaver, University of California

Virtuelle Rekonstruktion des Beckens einer Neandertalerfrau

Für ihre aktuelle Studie haben die Forscher der University of California at Davis und vom Leipziger Max-Planck-Institut den Beckenknochen einer Neandertalerin aus Tabun in Israel verwendet. Eine virtuelle Rekonstruktion des Geburtskanals zeigte, dass der Geburtsvorgang bei den Neandertalern zwar sehr ähnlich, aber etwas einfacher war als beim heutigen Menschen.

Der wesentliche Unterschied: Das Neugeborene konnte sich laut den Wissenschaftlern während der Geburt nicht drehen, musste also den direkten Weg nehmen. Der ovale Geburtskanal des modernen Menschen ist nämlich so geformt, dass sich Babies sozusagen hindurch schrauben können. Das macht das Ganze zumindest etwas leichter.
Einzigartiger Geburtsvorgang
Laut den Forschern muss es erst relativ spät in der menschlichen Evolution, während der letzten 400.000 bis 300.000 Jahre, zu einer entscheidenden Veränderung im Geburtsprozess gekommen sein.

Der menschliche Geburtsvorgang sei deswegen einzigartig. Die Neandertaler hätten offensichtlich einen evolutionären Weg beschritten, der von der Abstammungslinie des heute lebenden Menschen abweicht.

[science.ORF.at, 21.4.09]
->   Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
->   University of California at Davis
->   Mehr zum Thema Neandertaler im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010