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Das Ende der Insulinspritze?  
  Der tägliche Griff zur Spritze könnte für manchen Diabetiker in absehbarer Zeit ein Ende haben. Erstmals wurden die für die Produktion von Insulin verantwortlichen Zellen erfolgreich von einem Schwein auf einen Affen übertragen.  
US-Wissenschaftler der "Duke University" entnahmen der Bauchspeicheldrüse eines Schweins die für die Produktion von Insulin notwendigen B-Zellen und transplantierten diese mit Erfolg in einen ausgewachsenen, an Diabetes leidenden Pavian. Ihre Ergebnisse stellten die US-Forscher am Freitag auf der in Innsbruck stattfindenden "International Pancreas and Islet Transplant Association Conference" vor.

Der entscheidende Schritt dabei sei die "Ummantelung" der Insulin produzierenden Zellen vor der Übertragung auf den anderen Organismus. Dadurch würde das Immunsystem des neuen Organismus die implantierten Zellen nicht "abstoßen".
Nicht für alle tauglich
Anwendbar sei die Übertragung fremder Insulin produzierender Zellen großteils nur für Menschen mit Typ1-Diabetes, d.h. für jene, bei denen die Insulin produzierenden B-Zellen der Bauchspeicheldrüse durch Autoimmunreaktionen geschädigt wurden. Für manche Typ2-Diabetiker hingegen wäre die neue Methode nicht zielführend, weil diese Diabetiker Insulin zwar produzieren, aber nicht verwerten können, so britische Diabetes-Experten zu der neuen Studie.
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Diabetes - Type 1 und 2
Es wird zwischen dem meist bei Jugendlichen auftretenden Typ-1-Diabetes mit Insulinmangel und dem sich meist im Erwachsenenalter ausprägenden Typ-2-Diabetes mit verminderter Insulinwirkung unterschieden. Beim Typ-1 werden die Insulin produzierenden B-Zellen der Bauchspeicheldrüse durch Autoimmunreaktionen geschädigt. Die Veranlagung für diese Fehlmeldung des Immunsystems wird wahrscheinlich vererbt. Es bedarf aber zusätzlicher Faktoren, um diese Form der Zuckerkrankheit auszulösen. Beim Typ-2 wird entweder die Veranlagung vererbt, dass die Insulin produzierenden Zellen nicht unbegrenzt jeder ernährungsbedingten Belastung standhalten, oder es liegen andere Stoffwechselstörungen vor.
->   Mehr Information zur Zuckerkrankheit
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In zwei Jahren einsatzfähig?
Emmanuel Opara, Zellbiologe an der Duke University und Leiter der Diabetes-Studie, hofft, die neue Methode bei Menschen in ein bis zwei Jahren einsetzen zu können, wie er gegenüber BBC online erklärte.

"Wir stellen uns vor, dass wir bald in der Lage sind, mittels geringer Eingriffe Insulin produzierende Zellen in den menschlichen Organismus zu verpflanzen. Im Moment können wir allerdings noch nicht abschätzen, wie oft Diabetes-Patienten eine solche Therapie benötigen, aber die Ergebnisse aus den Pavian-Daten sind sehr viel versprechend", erläutert Opara.
Ummantelung als Schlüssel
Die Forscher beschichteten die Insulin produzierenden Zellen aus einer bestimmten Region der Bauchspeicheldrüse, den so genannten "Langerhans'schen Inseln", die jene Insulin produzierenden Zellen beherbergen. Bei Typ1-Diabetikern funktionieren die Langerhans'schen Inseln nicht bzw. nicht optimal, d.h. es kann nur wenig oder gar kein Insulin produziert werden. Ohne äußere Zufuhr von Insulin können Typ1-Diabetiker erblinden, an der Niere erkranken oder sogar sterben.

Die Langerhansschen Inseln wurden von den US-Forschern vom Rest des Schweine-Pankreas entfernt, und in einer speziellen Kohlehydrat-Lösung gebadet, bevor sie mit einer semiporösen Membran beschichtet wurden. Diese Membran besteht aus Poren, die groß genug sind, um Zuckermoleküle und Insulin durch zu lassen, aber klein genug, um zu verhindern, dass Immunzellen die "Fremdkörper" attackieren können.
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Pankreas
Anhangdrüse des Mitteldarms bei den Wirbeltieren, liefert Verdauungssäfte für Fette, Eiweiß und Kohlenhydrate, ist aber gleichzeitig auch eine inkretorische Drüse, da die in der Bauchspeicheldrüse verstreuten Langerhans'schen Inseln das Insulin zur Regulierung des Zuckerstoffwechsels bilden. Beim Menschen ist die Bauchspeicheldrüse eine längliche Drüse hinter dem Magen, deren Ausführgang in den Zwölffingerdarm mündet.
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Ähnlichkeit zu Mensch ausschlaggebend
Für den Zellbiologen Opara ist die Bauchspeicheldrüse des Pavian insofern sehr geeignet, da sie der des Menschen sehr ähnlich ist. Die Forscher konnten auch schon bestätigen, dass der eingepflanzte Pankreas normal arbeitet. Denn sie konnten im Blut des Affen ein Protein nachweisen, dass normalerweise während der Insulinproduktion gebildet wird.

Insgesamt wurden drei Schweinen 250.000 pankreatische Zellen entnommen, um den zuckerkranken Pavian zu behandeln. Den Forschern selbst ist noch nicht klar, wie viele Bauchspeicheldrüsen tatsächlich benötigt werden, um einen Menschen erfolgreich zu behandeln.
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Was ist Insulin?
das in den B-Zellen des Inselorgans gebildete eiweißhaltige Hormon. Die Insulinwirkung besteht in der Förderung des Zuckerstoffwechsels: Anregung des Zuckerabbaus in der Muskulatur und der Zuckerspeicherung als Glykogen (Stärke) in der Leber; Folge dieser Wirkung ist die gute Ausnutzung des Zuckers und die Einhaltung des normalen Blutzuckerspiegels (etwa 100 bis 120 mg/100 ml). Insulinmangel führt zur Zuckerkrankheit (Diabetes), Insulinüberschuss zur Hypoglykämie. Entdeckt wurde das Insulin 1921 durch F. Banting, C. Best und J. J. R. Macleod. Die Insulinbehandlung der Zuckerkrankheit besteht in der künstlichen Zufuhr des dem Organismus fehlenden Insulins; sie kann entweder mit schnellwirkendem Insulin (Altinsulin) oder mit langwirkendem Insulin (Depotinsulin) durchgeführt werden.
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Blutkontakt entscheidend
Laut den Zellbiologen der Duke University seien die entnommenen Zellen der Bauchspeicheldrüse überall dort in einen anderen Organismus verpflanzbar, wo die Zellen in Kontakt mit dem Blutstrom oder anderen Körperflüssigkeiten treten können.

"Sollte sich diese Studie als erfolgreich herausstellen, könnte dies auf längere Sicht das Leben vieler zuckerkranker Menschen, die täglich auf die Insulinspritze angewiesen sind, revolutionieren," resümiert Eleanor Kennedy, Geschäftsführerin von "Diabetes UK". "Die Verwendung von Pankreaszellen aus Schweinen ist nichts Unübliches, aber die erfolgreiche Beschichtung mit jener stoffselektiven Membran ist bemerkenswert."

(red)
->   Diabetes: Insulin-Inhalation genauso effektiv wie Spritzen
->   Duke University Medical Center
->   Pancreas and Islet Transplantation for Patients With Diabetes
->   Diabetes UK
 
 
 
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01.01.2010