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"Kevin" & Co: Schnelle Moden sterben früher  
  Zählte Kevin Anfang der 1990er Jahre in Österreich noch zu den beliebtesten Bubennamen, ist er mittlerweile wieder recht selten geworden - Trends, die besonders schnell auftauchen, verschwinden laut einer aktuellen Studie oft genauso plötzlich wieder. Zumindest ergab das eine Untersuchung der beliebtesten Vornamen in Frankreich und in den Vereinigten Staaten in den letzten hundert Jahren.  
Offenbar wollen Menschen besonders bei der Auswahl von Dingen mit hohem symbolischen Wert nicht auf kurzfristige Trends setzen.
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Die Studie "How adoption speed affects the abandonment of cultural tastes" von Jonah Berger und Gael Le Mens ist in der aktuellen Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (5. Mai 2009, DOI:10.1073/pnas.0812647106) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Rasches Kommen und Gehen
Im Jahre 1988 fand sich der Name "Kevin" laut Statistik Austria erstmals unter den beliebtesten österreichischen Bubennamen, nämlich auf Rang 60. Im Jahr darauf erreichte er schon Platz 37. 1993 erzielte er dann seine beste Platzierung: Er war der 19-beliebteste männliche Vorname in Österreich. Danach hielt er sich noch ein paar Jahre im Mittelfeld. Im Jahr 2007 fiel er jedoch wieder zurück auf Rang 42. Es ist anzunehmen, dass er bald völlig aus der Bestenliste verschwinden wird.

Genau dieses Phänomen war für die Ökonomen Jonah Berger und Gael Le Mens Anlass für ihre Studie: Warum verschwinden derartige Moden, die ganz plötzlich auftauchen, so schnell wieder?
Hohe Popularität - sinkende Beliebtheit
Naheliegend wäre es zu glauben, dass alte Trends einfach durch neue verdrängt oder abgelöst werden. Die Wissenschaftler schlagen aber eine andere Erklärung vor: Möglicherweise hat die hohe Popularität bestimmter Dinge selbst einen negativen Einfluss auf deren Beliebtheit.

Menschen lassen sich demnach zwar vom Geschmack anderer anstecken, dennoch strebe auch jeder nach Individualität, das heißt, man möchte sich von der Masse unterscheiden und abgrenzen. Besonders gelte das für identitätsstiftenden kulturelle Produkte - wenn etwas zu modisch ist, könnte das seinen symbolischen Wert auch schmälern.
Langsam und langlebig
Untersucht wurde die Annahme anhand von Vornamen. Laut den Forschern haben diese nämlich einen besonders identitätsstiftenden Charakter, immerhin muss ein Kind seinen Namen ein Leben lang tragen. Außerdem seien Namen kaum von Werbung oder wirtschaftlichen Entwicklungen abhängig, sprich: Die Auswahl erfolgt vor allem anhand innerer "psychologischer" Faktoren.

Für die Studie haben die Forscher nun die Beliebtheitskurven von insgesamt 2.570 männlichen und weiblichen Vornamen in Frankreich und den Vereinigten Staaten zwischen 1900 und 2005 verglichen. Dabei zeigte sich, dass tatsächlich jene Namen, die besonders schnell modisch werden, recht rasch wieder unbeliebt wurden.

So erlebte der Name "Tricia" in den USA von 1950 bis 1970 einen steilen Aufstieg und sank dann bis 1990 schnell wieder ab. Die Beliebtheit von "Charlene" stieg hingegen von 1910 bis 1950 kontinuierlich an und ebbte erst in den folgenden 50 Jahren wieder ab. Das heißt, Namen, die langsam populärer werden, halten sich deutlich länger als schnelllebige Modenamen.
Selbsterfüllende Dynamik
In einem zweiten Schritt befragten die Forscher werdende Eltern zur Namenswahl für das erwartete Kind. Auch dabei zeigte sich, dass schnell in Mode gekommene Trendnamen nicht so gern gewählt wurden.

Die Begründung: Die Mütter und Väter hatten Angst, dass diese besonders kurzlebig sein könnten. Dieses Ergebnis zeige, dass kulturelle Modeerscheinungen einer Art selbsterfüllender Dynamik unterliegen könnten. Trends, die als kurzlebig angesehen werden, werden kaum verfolgt. Sie sterben dafür auch entsprechend schneller aus und langfristig sind diese daher weitaus weniger erfolgreich.

Modisch zu sein, ist offenbar nicht immer maßgeblich - laut den Forschern lässt sich diese Erkenntnis auch auf andere Lebensbereiche übertragen, insbesondere auf solche, die mit einem hohen symbolischen Wert und der eigenen Identität verbunden sind.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 5.5.09
->   Beliebteste Vornamen (Statistik Austria)
->   Jonah Berger
->   Gael Le Mens
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Vornamen hängen mit Leistung zusammen (19.11.07)
->   Nur Trendwechsel kommt nie aus der Mode (30.3.07)
 
 
 
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01.01.2010