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Merck und Elsevier tarnen Werbung als Forschung  
  Diverse Medien beschuldigen den Pharmakonzern Merck und den Wissenschaftsverlag Elsevier eines besonders perfiden Manövers: Die beiden Big Player im Forschungsbetrieb haben ein "Fachjournal" ins Leben gerufen, das sich nun als Werbezeitschrift für Merck-Produkte entpuppt.  
Tarnen, Täuschen, Publizieren
Gerade haben sich die Skandalwogen um den US-Mediziner Scott Reuben geglättet, der im Laufe seiner Karriere vermutlich Dutzende Studien gefälscht hat, da berichten englischsprachigen Medien bereits über einen neuen Großskandal im Bereich der Forschung. Wenn tatsächlich stimmt, was Blogger im Life-Science-Magazin "The Scientist" sowie in "Nature" (hier und hier) berichten, dann gebührt dem Pharmakonzern Merck und dem Wissenschaftsverlag Elsevier die zweifelhafte Ehre, eine neue Form der Unaufrichtigkeit in den Wissenschaftsbetrieb eingeführt zu haben.

Es geht um das "Australasian Journal of Bone and Joint Medicine" (AJBJM), das auf den ersten Blick so aussieht wie ein medizinisches Fachjournal - zumindest legt das der für die Herstellung verantwortliche Verlag Elsevier nahe, Herausgeber so renommierter Journale wie "The Lancet", "Animal Behaviour" und "Physics".
Freundliche Kompilationen
Tatsächlich ist bzw. war das AJBJM (die letzte Ausgabe erschien im Jahr 2004) offenbar eine gut getarnte Werbepostille, die nur einem Zweck diente: nämlich Medikamente aus dem Hause Merck positiv darzustellen. Erreicht wurde das mit einem Mix aus konzernfreundlichen Versatzstücken der Fachliteratur - der Abdruck bereits anderswo publizierter Studien mit entsprechenden Resultaten, "Reviews", also "Übersichtsartikel", die lediglich zwei (passende) Quellen zitieren, und bislang unpubliziertes aber genehmes Forschungsmaterial, das keine Chance hätte, in einem Journal mit Qualitätskontrolle veröffentlicht zu werden.

Bislang von Elsevier bestätigt: Der Verlag wurde von Merck für die Herstellung des Journals bezahlt, über die konkrete Summe hält man sich aber bedeckt. Ein Unternehmenssprecher gestand gegenüber "The Scientist" auch, dass die Optik nicht gerade ideal sei: "Ich wünschte, hier hätte es eine deutlichere Auskunft darüber gegeben, dass es sich um ein gesponsertes Journal handelt."
"Das ist ein neuer Trick"
Tatsächlich, und das ist der Kern des Vorwurfs, dürfte das Journal keine undeutliche, sondern gar keine Offenlegung enthalten haben. Ein entsprechendes "Disclosure" sucht man in der Zeitschrift laut "The Scientist" jedenfalls vergeblich.

Der australische Mediziner George Jelinek sieht gerade darin das Problem: Er hat im Zuge einer Gerichtsverhandlung (bei der es vornehmlich um Probleme mit dem Medikament Vioxx ging, wie die Zeitung "The Australian" bereits vor einigen Wochen berichtete) mehrere Ausgaben der Zeitschrift analysiert und kommt zu dem Schluss: "Das ist lupenreines Marketing. Nur mein Wissen über die Konventionen und die Publikationspraxis im Wissenschaftsbetrieb befähigten mich herauszufinden, dass es sich dabei um keine Fachzeitschrift handelt."

Aber ein "durchschnittlicher Leser", also etwa ein Arzt, hätte sich in dieser Hinsicht leicht täuschen lassen können. "Ich habe in meiner Karriere viele Einfälle der Marketingabteilungen der Pharmakonzerne gesehen", so Jelinek. "Aber selbst für einen alten Hasen wie mich ist das ein neuer Trick."

Robert Czepel, science.ORF.at, 5.5.09
->   Merck, Sharp & Dohme Australia
->   Elsevier
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01.01.2010