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Pädagogik der Wirtschaftskrise  
  Krisen sind Gelegenheiten, um zu lernen - meint der brasilianische Staatssekretär und Wirtschaftsprofessor Paul Singer. Der gebürtige Wiener hält derzeit Vorträge in Österreich.  
Neugier, das Fragen nach dem "Wieso" - für den Wirtschaftsprofessor und brasilianischen Staatssekretär für Solidarökonomie Paul Singer ist Pädagogik ein Resultat der Anormalität, in Krisen entstehe Neugier.

In einer Ausnahme-Phase, in der weltweiten Wirtschaftskrise, befinden wir uns derzeit - Anlass für das Wiener "Paulo Freire Zentrum für transdisziplinäre Entwicklungsforschung und dialogische Bildung" den gebürtigen Wiener Paul Singer einzuladen und ihn nach der "Pädagogik der Krise" zu fragen.
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Zur Person
Paul (Israel) Singer, geboren in Wien, als Kind mit der Familie vor den Nationalsozialisten nach Brasilien geflohen. Singer ist seit 2002 brasilianischer Staatssekretär für Solidarökonomie; zuvor war er Professor für Soziologie und Makroökonomie an der Universität Sao Paulo. Zu seinen Forschungsfeldern zählten unter anderem Urbanisierung und ökonomische Entwicklung in Lateinamerika; er war einige Jahre lang Planungsstadtrat von Sao Paulo. Paul Singer war einer der Mitbegründer der brasilianischen Arbeiterpartei PT. Er ist Mitglied des Ehrenpräsidiums des "Paulo Freire Zentrum für transdisziplinäre Entwicklungsforschung und dialogische Bildung" in Wien. Laut Mitteilung der Botschaft hat Paul Singer vor zwei Monaten das Große Silberne Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich.
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Lernen aus der Krise
Krisen sind Gelegenheiten, um zu lernen, meint der Professor für Soziologie und Makroökonomie, Paul Singer, der vor sechs Jahren in Brasilien zum Staatssekretär für Solidarökonomie ernannt worden ist. In Krisen entstehe enorme Neugier, meint Singer, wieso das bisherige System versagt habe. Die aktuelle Krise lehre uns beispielsweise etwas über Kapitalismus und Wirtschaft, so der gebürtige Wiener im Gespräch mit science.ORF.at:

"Zum Ersten: wir müssen das Finanzsystem wieder zähmen und es für kollektives Gut lenken und nicht für privaten Gewinn. Das ist die wichtigste Ursache dieser Krise."

Wobei sich Paul Singer bei seinem Vortrag in Wien explizit gegen eine zentrale Planung von Wirtschaft ausspricht. Er schlägt die solidarische Ökonomie vor - beispielsweise mit Gemeindebanken, Mikrokrediten, Genossenschaften oder Tauschbörsen.
Bildung schützt nicht
Nachdem der Wirtschaftswissenschafter und brasilianische Staatssekretär eng mit dem Wiener "Paulo Freire Zentrum für transdisziplinäre Entwicklungsforschung und dialogische Bildung" verbunden ist und der Brasilianer Paulo Freire für Volksbildung steht, liegt die Frage nahe: Schützt Bildung vor der Krise?

"Nein, leider nicht. Es gibt keine individuelle Lösung. Wenn Leute ihre Arbeit verlieren oder Kleinunternehmen ihr Geschäft verlieren, dann nützt die Bildung sehr wenig Während der Krise werden mehr Leute entlassen als eingestellt - und auch Leute, die Erfahrung haben, fähig sind und auch gebildet sind."

Doch jede Krise könne Anlass zum Lernen sein, Anlass neue Lösungen für alte Probleme zu suchen. Doch ist Paul Singer pessimistisch und meint ironisch: vermutlich werde die aktuelle Wirtschaftskrise zu früh enden, als dass wir genügend daraus lernen würden.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 15.5.09
->   Brasilianisches Arbeitsministerium
->   Universität Sao Paulo
->   Paulo Freire Zentrum für transdisziplinäre Entwicklungsforschung und dialogische Bildung
 
 
 
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01.01.2010