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Bei Hunger Fehlalarm  
  Kapuzineraffen haben ein gefinkeltes Täuschungsmanöver in ihrem Verhaltensrepertoire: Knurrt der Magen, rufen sie "Achtung - Feind im Anmarsch!" und stehlen den Artgenossen ihr Mittagessen.  
Trick 17
Bei Kindern funktioniert der Trick besonders gut, oft sogar zwei Mal hintereinander. Man muss bloß rufen: "Sieh mal, da hinten!" Schon drehen sie sich um - und man kann in Ruhe ein Stück Pommes von ihrem Teller stehlen. Wenn einen daraufhin andere Erziehungsberechtigte am Tisch ob des gemeinen Manövers rügen, kommt die Kommunikationstheorie zu Hilfe: Das Kind lernt schließlich etwas für's Leben, wenn es erfährt, dass es nicht nur ehrlich gemeinte Mitteilungen gibt. Sondern auch solche, die den Empfänger systematisch hinters Licht führen, weil sie einem ganz anderen Zweck dienen als sie zu tun vorgeben.

So gesehen, könnte man argumentieren, sei ein Stück frittierte Kartoffel wohl wirklich preiswert für diese grundlegende Einsicht. Und besser es passiere jetzt, könnte man noch hinzufügen, als das Kind tappe 20 Jahre später mangels einschlägiger Erfahrungen in ein dubioses Spam-Geschäftsangebot, das koste nämlich bedeutend mehr als eine Portion Pommes Frites.
Beweis mit Bananen
Und drittens könnte man, um das Gespräch dezent auf ein anderes Thema zu lenken, erwähnen, dass sogar Kapuzineraffen etwas ganz Ähnliches tun. Wie der US-Biologe Brandon C. Wheeler in den "Proceedings of the Royal Society B" (online) berichtet, geben sie regelmäßig Fehlalarm, um ihren Artgenossen Mahlzeiten abzuluchsen.

Die Idee, dass Affen eine derart ausgeprägte taktische Intelligenz besitzen könnten, ist zwar nicht neu. Doch es ist eine Sache, lediglich "anekdotische Evidenz", wie es so schön heißt, für die Fehlalarm-Hypothese zu liefern, eine ganz andere jedoch, sie unter kontrollierten Bedingungen zu bestätigen. Letzteres ist Brandon im argentinischen Iguazu-Nationalpark nun durch Einsatz von Bananen, Statistik und einer guten Portion Geduld gelungen.

Seine Versuche mit Kapuzineraffen (Cebus apella nigritus) bestätigen einige Voraussagen, die Theoretiker zuvor geäußert hatten, nämlich: Affen machen von taktischen Alarmrufen besonders gegenüber Höherrangigen Gebrauch, denn subalterne Kollegen ließen sich mit einfacheren Mitteln verscheuchen; derartige Täuschungsmanöver treten häufiger bei begehrten Mahlzeiten auf; und sie sind auch von der unmittelbaren Nähe der Artgenossen abhängig, schließlich will man den Trick nicht inflationär anwenden und die Pointe unnötigem Verschleiß aussetzen.
Taktik prägt den Sex
Solche Befunde sind übrigens weder auf Primaten beschränkt (auch hungrige Kohlmeisen spielen souverän auf der Klaviatur des Fehlalarms), noch auf die Nahrungsaufnahme. Von Schimpansenweibchen weiß man etwa, dass sie beim Liebesspiel nur dann besonders laute Lustschreie von sich geben, wenn ranghohe Männchen in der Nähe sind.

Das soll, so schließen Biologen, Nebenbuhlern mit mutmaßlich exzellenter Genausstattung auf die Sprünge helfen - und in weiterer Folge dem Fortpflanzungserfolg der Weibchen (PLoS ONE, Bd. 3, e2431). Ähnliches haben männliche Pallas-Hörnchen, Nagetiere aus Südostasien, im Sinn, wenn sie nach der Kopulation Alarmarien von sich geben. Ihre Gesänge sollen Konkurrenten fern halten und die soeben getätigte Eroberung absichern.

Nicht geklärt ist indes, ob derlei Täuschungsmanöver von Tieren auch wirklich gezielt eingesetzt werden, d.h. mit dem Wissen um die Konsequenzen des eigenen Handels. Bei den Kapuzineraffen scheint das nicht ganz unwahrscheinlich. Wie Wheeler in seiner Studie schreibt, setzten die Affen in den Experimenten viel häufiger auf Täuschungsmanöver, als sie es zuvor unter natürlichen Bedingungen getan hatten. Eine mögliche Interpretation: Sie wussten, dass dieser Homo sapiens üppige Mahlzeiten bringen würde.

Robert Czepel, science.ORF.at, 3.6.09
->   Brandon Wheeler
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01.01.2010