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Kälterekord für mechanische Hebel  
  Wiener Physiker melden einen neuen Kälteweltrekord. Sie schafften es, relativ große und bereits mit freiem Auge sichtbare mechanische Hebel bis nahe an den absoluten Nullpunkt zu kühlen.  
Bisher gelang das nur mit um Größenordnungen kleineren Objekten. Ziel ist der Einsatz der Hebelchen für Quantenexperimente, etwa eine Verschränkung mit Lichtteilchen, erklärte Studienautor Markus Aspelmeyer vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
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Die Studie "Demonstration of an ultracold microoptomechanical oscillator in a cryogenic cavity" von Simon Gröblacher et al. ist in "Nature Physics" (DOI: 10.1038/NPHYS1301) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Quanteneffekte in der Makrowelt
Seit Jahren läuft so etwas wie ein internationaler Wettbewerb unter Physikern, bei immer größeren Objekten die teils seltsam anmutenden Quanteneffekte sichtbar zu machen. Ein solcher Effekt ist die sogenannte Verschränkung.

Dabei bleiben zwei Teilchen über theoretisch beliebige Distanzen wie mit einem unsichtbaren Faden verbunden. Manipulationen an einem der Partner wirken sich augenblicklich auf den anderen aus. Verschränkung wird mittlerweile praktisch für die Verschlüsselung von Daten eingesetzt, es gibt auch erste Ansätze für Quantencomputer.

Anfangs konnte die Verschränkung experimentell nur mit sehr kleinen Teilchen verwirklicht und nachgewiesen werden, etwa mit den masselosen Lichtteilchen (Photonen). Später gelang die Sache auch mit Molekülen. Mit zunehmendem Erfolg ist auch der Ehrgeiz der Physiker gewachsen, sie wollen die Quantenphänomene in die Makrowelt übertragen. So gibt es Versuche, große, federnd gelagerte Spiegel miteinander zu verschränken, indem sie mit Licht in feinste Schwingungen versetzt werden.
Gesetze gelten erst bei niedrigen Temperaturen
Aspelmeyer setzt bei seinen Versuchen auf winzige Hebel, wie sie industriell hergestellt und etwa in Drucksensoren eingesetzt werden. Allerdings müssen diese nano- und mikromechanischen Resonatoren auf Temperaturen nahe an den absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) gekühlt werden. "Denn erst dort beginnen die mechanischen Schwingungen den Gesetzen der Quantenphysik zu folgen", erklärte Aspelmeyer.

Bisher konnten nur sehr kleine nanomechanische Hebel von wenigen zehn Millionstel Millimeter Durchmesser nahe an diese Quantengrenze gekühlt werden. Nun ist es den Wiener Physikern gelungen, signifikant größere mechanische Strukturen nahe an die nötige Temperatur heranzuführen. Die Hebelsysteme können eine Größe von rund einem halben Millimeter erreichen und sind somit bereits mit freiem Auge sichtbar.
Abkühlung durch Energieentzug
Um die extremen Temperaturen zu erreichen, wird der experimentelle Aufbau mit Hilfe von flüssigem Helium auf etwa minus 270 Grad vorgekühlt. Für die weitere Kühlung wird der Effekt der mechanischen Laserkühlung verwendet, eine Technik welche die Wiener Forscher 2006 erstmals demonstriert haben und die mittlerweile weltweit eingesetzt wird.

Dazu wird ein Laserstrahl von einem wenige Hundertstel Millimeter großen Spiegel reflektiert, der auf dem mikromechanischen Hebel aufgebracht ist. Richtig dosiert kann das Licht den immer noch vorhandenen mechanischen Bewegungen entgegenwirken und dem System Energie entziehen - und der Energieentzug bedeutet nichts anderes als weitere Abkühlung.

[science.ORF.at/APA, 8.6.09]
->   Markus Aspelmeyer
Aktuelles zum Thema in science.ORF.at:
->   Die Quantenwelt wird mechanisch (4.6.09)
 
 
 
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01.01.2010