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Beteigeuze, schrumpfender Riese  
  Der berühmte Riesenstern Beteigeuze wird immer kleiner. Sein Durchmesser sei nun um 15 Prozent geringer als noch vor 15 Jahren, berichten zwei US-Forscher. Die Ursache der mysteriösen Schrumpfung ist unbekannt.  
Schwankende Gestalt
"Yad al-Jawza" (die Hand der Riesin), "Al Mankib" (die Schulter), "Yedelgeuse" und "Klaria" sind nur vier Beispiele für die dutzenden Namen, die der Gigant im Sternbild Orion in den Sprachen dieser Welt bekommen hat. Ähnlich wandelbar wie die Bezeichnungen von Beteigeuze dürfte auch dessen Physis sein: Wie die beiden US-Forscher Charles Townes und Edward Wishnow in den "Astrophysical Journal Letters" (Bd. 697, L127) berichten, hat der Rote Riese in den letzten 15 Jahren rund ein Siebtel seines Durchmessers eingebüßt.

Seine Leuchtkraft indes dürfte keine Einbuße erlitten haben. Beobachtungen der American Association of Star Observers zufolge ist zumindest die sichtbare Helligkeit des Himmelskörpers im selben Zeitraum konstant geblieben.
Spiegelpflege auf der Bergspitze
Bild: Cristina Ryan
Professor Townes bei der Arbeit.
"Eine solch massive Veränderung ist wirklich beachtlich", sagt Charles Townes, Nobelpreisträger des Jahres 1964. Towns wurde damals für die Erfindung des Masers ausgezeichnet, dem Mikrowellen-Gegenstück und Vorläufer des Lasers. Mittlerweile ist der US-Physiker als Professor emeritiert, Forschung betreibt der 94-jährige allerdings nach wie vor mit jugendlichem Elan.

Er und Wishnow haben ihre Beobachtungen mit dem auf der Spitze des Mount Wilson gelegenen Infrared Spatial Interferometer (ISI) in Südkalifornien durchgeführt. Zur astronomischen Alltagsarbeit in 1.700 Metern Seehöhe gehört nicht nur das wissenschaftliche Auswerten von Daten, sondern auch Profaneres: etwas die Reinigung der drei 1,65 Meter großen Spiegel des ISI, wie das Bild rechts zeigt.

"Bislang können wir nicht sagen, warum der Stern schrumpft", sagt Wishnow. "Wir wissen zwar einiges über Galaxien und ferne Bereiche des Universums, aber über Sterne gibt es noch sehr viel herauszufinden, inklusive der Frage, was am Ende des Lebens von Roten Riesen passiert."
Groß wie 600 Sonnen
Die Schrumpfung von Beteigeuze ist umso spektakulärer, wenn man dessen Dimension in Betracht zieht. Der Riesenstern hat etwa den 600-fachen Durchmesser der Sonne, seine Leuchtkraft ist sogar um den Faktor 10.000 größer als die unseres Heimatsternes. Könnte man Beteigeuze anstelle der Sonne in unser Sonnensystem verpflanzen, verschlänge der Riesenstern die Erde vollständig. Seine Außengrenze läge in etwa dort, wo der Jupiter seine Bahn um die Sonne zieht.
Ein Riese unter Riesen
 
Bild: NASA

Beteigeuze ist nicht nur der erste exakt vermessene Stern der Geschichte, sofern man von der Sonne absieht. Aufgrund seiner schieren Größe ist er auch einer der wenigen Sterne, die im Blickfeld des Raumteleskops Hubble nicht als Lichtpunkt, sondern als Scheibe erscheinen (Bild oben).

Im Jahr 1921 ermittelten Francis G. Pease und Albert Michelson per optischer Interfermometrie die Distanz zu dem Riesen sowie dessen Durchmesser. Ihr Ergebnis betrug 430 Lichtjahre bzw. 3,7 astronomischen Einheiten, was in der Größenordnung des Mars-Orbit liegen würde. Messungen mit Hubble aus dem letzten Jahr zeigten hingegen: Beteigeuze ist noch weiter entfernt und damit auch größer, nämlich rund 600 Lichtjahre bzw. 5,5 astronomische Einheiten (einen aufschlussreichen Größenvergleich liefern diese Bilder sowie dieses Video).

"Seit 1921 wurde die Größe von Beteigeuze immer wieder mit Interferometern in den verschiedensten Wellenlängen bestimmt", erklärt Wishnow. Die Ergebnisse hätten sich zwar durchaus unterschieden, zum Teil sogar um bis zu 30 Prozent. "Aber bei einer bestimmten Wellenlänge gab es bisher keine nennenswerten Schwankungen." Doch genau das ist nun der Fall.
Nur eine Fluktuation
Wishnow vermutet, dass gigantische Konvektionszellen auf der Oberfläche des Sterns zu Ausbuchtungen geführt haben könnten. Er habe mit einem Studenten zwar solche Riesenzellen entdeckt, jedoch keine Verformungen: Der Stern sei zu diesem Zeitpunkt perfekt symmetrisch gewesen.

"Das bedeutet aber nicht, dass er zu keinem anderen Zeitpunkt von der Kugelform abgewichen sein könnte", merkt Josef Hron vom Institut für Astronomie der Uni Wien an. Er geht davon aus, dass es sich bei der Schrumpfung des Roten Riesen um eine natürliche Schwankung handelt, die keinen langfristigen Trend widerspiegelt: "Rote Riesen haben keine ruhige Oberfläche. Außerdem könnte die Messung von Staub aus dem Umkreis des Himmelskörpers verzerrt worden sein." (Simulationen auf der Website der Universität Uppsala geben einen Eindruck davon, wie wild es auf der Oberfläche von Roten Riesen zugeht).

"Wir kennen die Ursache schlichtweg nicht", sagt Wishnow im Gespräch mit science.ORF.at. "werden aber die Messungen auf jeden Fall bei anderen Wellenlängen wiederholen und sehen, was dann passiert." "Abwarten" lautet auch die Devise von Altmeister Townes: "Wir werden in den nächsten Jahren genau beobachten, ob sich Beteigeuze weiter zusammenzieht. Vielleicht wächst es ja wieder."

Robert Czepel, science.ORF.at, 10.6.09
->   Charles Townes
->   Josef Hron
->   Beteigeuze - Wikipedia
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01.01.2010