News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Größeres Hirn, häufiger Krebs  
  Menschen haben häufiger Krebs als Schimpansen. Forscher vermuten: Dass wir derart anfällig für Tumore sind, könnte ein Nebeneffekt des größeren Gehirns und dessen besserer kognitiven Fähigkeiten sein.  
Nah verwandt und doch anders
Genetisch sind Affe und Mensch zu zirka 98 Prozent gleich, obwohl sie seit zirka sechs Millionen Jahren evolutionär getrennte Wege gehen. Der Mensch hat seither zum kulturell und technisch unterstützen Siegeszug im Kampf um Lebensräume angesetzt. Einer der entscheidenden und hilfreichen Faktoren dabei war ein größeres Gehirn und damit verbundene verbesserte kognitive Fähigkeiten.

So wie viele Dinge auch ihre Schattenseiten haben, dürfte auch die Evolution des Gehirns eine solche mitgebracht haben: Mechanismen im Körper, die die Hirnentwicklung begünstigen, könnten auch Krebs fördern, schreiben Wissenschaftler um John F. McDonald von der Fakultät für Biologie am Georgia Institute of Technology in Atlanta in der Fachzeitschrift "Medical hypothesis" (im Druck).
Auf Herz und Nieren geprüft
Auch wenn Mensch und Affe genetisch stark übereinstimmen, sind viele Unterschiede offensichtlich. Manche hingegen zeigen sich erst bei einer genaueren Analyse. Nicht alle Gene, die Schimpansen und Menschen gemeinsam haben, werden bei beiden auch gleich stark in äußere Merkmale umgesetzt, denn Gene können aktiv oder deaktiviert sein.

Die Autoren verglichen für ihre Studie die Aktivität von Genen in Gehirn, Leber, Hoden, Nieren und Herzen von Schimpansen und Menschen. Während sich diese bei den Hoden um 62 Prozent unterscheidet, waren es beim Gehirn 34 Prozent. Diese Unterschiede haben offenbar schwerwiegende Folgen.
Die Krux mit dem Zelltod
Entscheidend ist nämlich, welche Gene über Leben und Tod von Zellen entscheiden. Ständig sterben im Körper Zellen durch den programmierten Zelltod - die Apoptose. Sie spielt eine wesentliche Rolle beim Entstehen von Krebs und anderen Krankheiten.

McDonald und seine Kollegen fanden heraus, dass 37 Gene, die im Gehirn von Schimpansen und Affen unterschiedlich aktiv sind, den programmierten Zelltod steuern. Jene Gene, die den Zelltod fördern, sind im menschlichen Gehirn nach unten reguliert. Gleichzeit sind jene Gene, die den Zelltod hemmen, bei Menschen aktiver als bei Schimpansen.

Funktioniert die Apoptose schlechter, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Krebs. Die Studienautoren vermuten nun, dass der gebremste Zelltod im Gehirn aber gerade dessen Entwicklung fördert.
Alzheimer passt ins Bild
Die Wissenschaftler betonen, dass es sich um eine Hypothese handelt, die nie absolut bewiesen werden kann. Doch die Ergebnisse decken sich laut den Forschern auch damit, dass Patienten mit kognitiven Störungen wie etwa Parkinson, Huntington-Chorea und Alzheimer ein geringeres Krebsrisiko haben. Bei Menschen mit diesen Krankheiten ist die Apoptose verstärkt.

Häufiger an Krebs zu erkranken, könnte auch ein evolutionärer Nachteil sein. Die Studienautoren halten diesen Effekt im Vergleich zu den Vorteilen verbesserter kognitiver Leistungen jedoch für gering. Die meisten Menschen erkranken schließlich erst an Krebs, wenn sie das fortpflanzungsfähige Alter schon erreicht haben.

Mark Hammer, science.ORF.at, 12.6.09
->   John F. McDonald
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Mensch und Schimpanse hatten langen Trennungsweg
->   Schimpanse enger mit Mensch verwandt als mit Menschenaffen
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010