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Schau mir in die Augen, Egoist  
  Egoismus ist der natürliche Feind der Solidarität und kann zum Zusammenbruch der Kooperation führen. Die gute Nachricht ist allerdings: Unsoziale Einstellungen sind offenbar an der Mimik ablesbar.  
Spiel mit Vertrauen
30 bis 50 Prozent aller Menschen neigen dazu andere zu übervorteilen, der Rest verhält sich zumindest zeitweise selbstlos. Das zeigen Versuche von Biologen, Psychologen und Ökonomen. Nicht erhoben wurde bisher, ob wir unehrliche Zeitgenossen auch äußerlich erkennen können. Was ohne Zweifel praktisch wäre, man denke etwa an den Kauf eines Gebrauchtwagens. Ryo Oda vom japanischen Nagoya Institute of Technology hat die Sache nun überprüft, und zwar mit Hilfe des so genannten Vertrauensspiels.

Wie er in den "Proceedings of the Royal Society" berichtet, kommen dabei Personen paarweise zusammen, einer tritt als Verteiler auf, seine Aufgabe ist es, einen bestimmten Geldbetrag (hier: 300 Yen) nach eigenem Gutdünken auf sich selbst und den zweiten Teilnehmer aufzuteilen. Person Nummer zwei, der/die Empfänger/in, hat wiederum die Möglichkeit, das Spiel abzubrechen, sofern der Verteiler nicht vertrauenserweckend ist. Dann erhält er oder sie nicht den vom Verteiler bestimmten Anteil, sondern einen relativ geringen Fixbetrag (hier: 100 Yen).
Der egoistische Blick
Soweit das prinzipielle Setting. Oda wählte für die Verteilerrolle je fünf lupenreine Egoisten bzw. Altruisten aus, deren Einstellungen er zuvor per Fragebogen erhoben hatte. Dann kamen die Empfänger, 40 japanische Studenten, an die Reihe. Sie mussten zunächst ein tonloses Video betrachten, auf dem sich die Verteiler kurz präsentierten und unhörbar über ihre Vorlieben und Abneigungen sprachen.

Daraufhin wurden sie gefragt: Vertrauen Sie diesem Menschen und nehmen den (unbekannten) Teilbetrag an? Oder gehen Sie auf Nummer sicher und nehmen stattdessen die 100 Yen? Freilich konnten die Probanden Egoisten und Altruisten nicht immer auseinander halten. Aber letzteren brachte sie im Schnitt deutlich mehr Vertrauen entgegen, was dafür spricht, dass sich die Geisteshaltung zumindest teilweise in der Mimik spiegelt.
Altruisten lächeln natürlicher
 
Bild: Fotolia/Marzanna Syncerz

Oda hat in bisher unpublizierten Versuchen herausgefunden, dass freundlich gestimmte Altruisten öfter das Duchenne-Lächeln im Gesicht tragen. Dabei handelt es sich um das Gegenstück zum affektierten "Cheese!" - ein natürliches, willentlich kaum kontrollierbares Lächeln, das eben nicht nur die Mundregion betrifft, sondern auch die Augen. Das könnte zumindest ein Anhaltspunkt sein, anhand dessen wir selbstlose und selbstsüchtige Menschen unterscheiden, vermutet Oda.

"Das Geld gibt dem Menschen Maß. Es ist geordnete Ichsucht", schrieb Robert Musil im "Mann ohne Eigenschaften". Der Blick in die Augen verhindert, dass daraus keine ungeordnete Ichsucht wird.

[science.ORF.at, 1.7.09]
->   Nagoya Institute of Technology
->   Duchenne-Lächeln - Wikipedia
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Egoisten stellen sich tot
->   Studie bestätigt: Schenken macht glücklich
->   Hirnregion zeigt Altruismus an
 
 
 
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01.01.2010