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Der Schrei im Schnurren  
  Hauskatzen haben eine besonders raffinierte Strategie entwickelt, um an Leckereien zu gelangen: Sie arbeiten mit unterschwelligen Botschaften - im Schnurren ist ein "Miau!" versteckt, das uns in Geberlaune versetzen soll.  
Trink Cola!
Müsste man eine Liste der berühmtesten Fake-Studien erstellen, die "Iss-Popcorn-trink-Cola-Studie" aus dem Jahr 1957 wäre wohl dabei. Damals behauptete der Werbefachmann James Vicary gegenüber US-Zeitungen, er habe in Kinofilmen unterschwellige Botschaften versteckt, die Kinobesuchern zum Konsum animieren sollten. Schriftzüge wie "Iss Popcorn!" und " Trink Cola!" seien für drei Tausendstel Sekunden zwischen den Filmszenen eingeblendet worden - zu kurz, um bis ins Bewusstsein der Betrachter vorzudringen, aber offenbar lange genug, um sie nachhaltig zu beeinflussen.

Denn der Umsatz für Popcorn und Cola sei daraufhin massiv gestiegen, behauptete Vicary, gab jedoch einige Jahre später zu: Alles erfunden, die Studie hat es nie gegeben. Die Zeitungsente sollte lediglich ihn und seine Firma zum Zweck der Eigenwerbung ins Licht der Öffentlichkeit rücken, was letztlich auch gelang.

In der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Current Biology" (Bd. 19, S. R507) kann man nun eine durchaus ähnliche Geschichte nachlesen. Diesmal handelt es sich allerdings um eine echte Studie, verfasst von einer echten Forscherin namens Karen McComb. Sie sagt: Hauskatzen arbeiten mit subliminalen Botschaften, um ihre Besitzer zu manipulieren.
Gescheiterter Laborversuch
Begonnen habe alles mit der Angewohnheit ihrer Katze, sie jeden Morgen mit einem besonders intensiven Schnurren aufzuwecken, erzählt die Verhaltensforscherin von der University of Sussex. In Gesprächen mit anderen Katzenbesitzern erfuhr McComb, dass auch deren Katzen den gleichen Trick anwenden würden, woraufhin sie eine Versuchsreihe startete.

Die endete allerdings mit einem Fiasko. Während die Tiere im privaten Rahmen täglich das schönste Manipulationsschnurren zeigten, wollten sie im Labor partout keinen Laut von sich geben. So musste die Biologin ihre Strategie ändern und händigte den Katzenbesitzern Geräte aus, mit denen sie das Schnurr-Repertoire ihrer Haustiere aufnehmen sollten.
Die Botschaft in der Botschaft
Bei der Analyse der Aufnahmen stieß McComb auf einen hohen Laut, vergleichbar mit einem "Minimal-Miau", der sich in den Frequenzbildern von den tiefen Schnurr-Lauten deutlich abhob. Wie sich herausstellte, war der Peak im Bereich von 380 Hertz allerdings nur dann vorhanden, sofern die Katzen um Futter bettelten. Beim normalen Wolhlfühl-Schnurren war er hingegen nicht zu sehen.

"Wir haben herausgefunden, dass er der entscheidende Faktor bei der Wahrnehmung des Schnurrens ist", sagt McComb. Wie Tests mit menschlichen Probanden zeigen, gibt das hochfrequente "Miau!" dem Schnurren eine insistierende Note, obwohl es bewusst nicht wahrnehmbar ist. McComb machte auch die Gegenprobe, entfernte den versteckten Laut aus den Aufnahmen und beließ das restliche Frequenzband unverändert. Und tatsächlich: Die Probanden empfanden die Aufnahmen als angenehmer und weniger dringlich.
Universelles Säuger-Sensorium?
"Die Katzen verstecken eine Art Schrei im Schnurren, das wir normalerweise mit Wohlbehagen assozieren", sagt McComb. "Das ist eine sehr subtile Form, Reaktionen hervorzurufen. Vermutlich ist der versteckte Bettel-Laut für Menschen eher akzeptabel als wenn Katzen einfach miauen. Dann nämlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie aus dem Bett befördert werden."

McComb glaubt, dass die unterschwellige Botschaft ein Sensorium anspricht, das alle Säugetiere besitzen und mit den Rufen der Nachkommen zu tun habe. Was nicht völlig aus der Luft gegriffen ist: Biologen haben etwa herausgefunden, dass es zwischen dem Schreien einsamer Rattenkinder und dem Weinen menschlicher Babys akustische Parallelen gibt.
"Ich vermute, es handelt sich dabei um die dramatische Übertreibung eines natürlichen Lautes. Die Tiere haben einfach gelernt, wie man Menschen am effektivsten manipuliert."

Streng genommen gelte das allerdings nur für Katzen, die eine intensive Beziehung zu ihren Besitzern aufgebaut hätten. In Haushalten mit mehr Personen indes könnte die subtile Botschaft leicht überhört werden, betont McComb. In diesem Fall sei das Standard-Miau wohl die bessere Variante.

Robert Czepel, science.ORF.at, 13.7.09
->   Karen McComb
->   Current Biology
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01.01.2010