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News im Netz: Klassische Medien sind schneller  
  Klassische Medien verbreiten Nachrichten nach wie vor am wirksamsten. Ihre Online-Portale sind bei News im Schnitt zweieinhalb Stunden schneller als entsprechende Blogs.  
Einzelne Weblogs sind zwar sogar den großen Medienhäusern wie CNN, ABC oder "New York Times" voraus, im Schnitt gehen aber nur dreieinhalb Prozent aller im Internet aufgetauchten Meldungen auf sie zurück.

Das berichten Jon Kleinberg von der Cornell University und Kollegen in einer online erschienenen Studie.
1,65 Millionen Websites durchforstet
Die Computerwissenschaftler haben dafür die heiße Phase des US-Präsidentschaftswahlkampfs im vergangenen Jahr unter die Lupe genommen. Zwischen August und November 2008 verfolgte ihre Software 1,65 Millionen Websites, die mehr oder weniger mit Nachrichten zu tun haben: Darunter waren alle 20.000 von Google News erfassten Portale von "Mainstream Medien", wie es sich im US-Englisch mittlerweile eingebürgert hat, sowie Blogs, Foren und andere Medienseiten.
Analyse von Zitaten - u.a. das Lippenstift-Schwein
Der von den Forschern entwickelte Algorithmus suchte auf den Webseiten nach bestimmten Phrasen, die im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielten.

Das wohl berühmteste Beispiel: Mitte September sprach der damalige Präsidentschaftskandidat der Demokraten Barack Obama die denkwürdigen Worte - "Du kannst einem Schwein Lippenstift auftragen. Es ist immer noch ein Schwein."

Die republikanischen Gegner verstanden dies als sexistischen Angriff auf seine Rivalin und Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, Sarah Palin. Obama hingegen wollte damit nur eine griffige Metapher dafür verwendet haben, dass man die Verantwortung für acht Jahre republikanische Politik nicht durch eine plötzliche Rhetorik des Wandels ersetzen kann.

Wie auch immer: Die Phrase "lipstick on a pig" wurde zur meistzitierten des gesamten Wahlkampfs. Und das spiegelt sich auch in der Untersuchung von Jon Kleinberg und seinen Kollegen wider.
->   Mehr dazu: Lippenstift-Gift (Herbert Hrachovec)
Zyklus der Nachrichten
 
Grafik : Cornell University/Memetracker

Die Grafik zeigt Aufstieg und Fall der Popularität von Nachrichten zwischen August und November 2008. Insgesamt 90 Millionen Dokumente wurden dazu untersucht, sowohl Nachrichtenartikel als auch Foren- oder Blogeinträge. Den Gipfel markiert Obamas Lippenstift-Sager am 10. September (roter Zacken).
->   Interaktive Version der Grafik
Zweieinhalb Stunden Differenz
Das Verhältnis von "Mainstream-Medien" und Blogs vergleichen die Forscher mit dem eines Herzschlags: Sobald eine Nachricht erstmals auftaucht, gibt es in beiden Sphären einen kleinen "Aktivitätsschub". Danach intensivieren die großen Medienhäuser ihre Berichterstattung und der Anteil der Blogs am Gesamtkuchen der Aufmerksamkeit geht zurück.

Danach aber holen sie wieder auf und die Nachricht erreicht bei ihnen den Höhepunkt der Popularität - dieser liegt laut den Forschern im Schnitt zweieinhalb Stunden nach jenem der "Mainstream-Medien".

Das Interesse der letzeren an der gleichen Nachricht bricht auch eher wieder ab als bei Blogs - ein Hinweis darauf, dass bei Weblogs länger über ein Thema diskutiert wird und die Aufmerksamkeit nicht gleich wieder abebbt.
Einige Blogs dennoch schneller
Die meisten der untersuchten Nachrichten im Internet, so die Autoren, stammen ursprünglich von den großen Medienhäusern und werden dann von anderen Webseiten aufgegriffen. Nur dreieinhalb Prozent aller Meldungen nehmen umgekehrt ihren Anfang in Blogs und werden dann von den "Mainstream-Medien" übernommen.

Dennoch gibt es einige Blogs, die auch CNN und Co in punkto Zeitfaktor schlagen. Das zeigt ein Ranking der Forscher, das angibt, wie viele Stunden vor oder nach dem Popularitätshöhepunkt einer Nachricht bestimmte Webseiten erstmals davon berichten.

Unter den Top Ten befinden sich mehr Blogs als klassische Medienhäuser: u.a. das Videoblog der konservativen Publizistin Michelle Malkin Hot Air, die liberale Plattform talkleft und Talking Points Memo. Sie alle berichteten im Schnitt mindestens 15 Stunden vor dem Popularitätsgipfel einer Nachricht erstmals davon. Zum Vergleich: Bei Reuters und CNN waren es elf Stunden, bei der Associated Press und der Washington Post zehn Stunden.
->   Die Rangliste
"Anti-Blog-Studie von ahnungslosen Akademikern"
Interessanterweise hat die Studie selbst in den beiden Sphären noch kein überragendes Echo ausgelöst. Auf der einen Seite hat sich am Montag zwar die "New York Times" über die zweieinhalb Stunden Vorsprung gegenüber Blogs gefreut (Artikel in der "NYT") und auf der anderen "Hot Air" über den Sieg im Ranking der schnellsten Websites (Hot-Air-Artikel).

Immerhin ein Blog ließ sich finden, das die vorliegende Studie in guter alter Bloggermanier kritisiert. Unter dem Titel "Eine weitere fehlgeleitete Anti-Blog-Studie von ahnungslosen Akademikern" mäkelt BNET Media am Zeitraum und anderen Aspekten der Studie herum (BNET-Media-Artikel).

Dass Blogs etwa im Schnitt zweieinhalb Stunden länger für die Verbreitung einer Nachricht brauchen als die "Mainstream-Medien" hält BNET-Autor David Weir eher für ein Qualitätsmerkmal, denn das zeige deren im Vergleich zur Journaille größere Skepsis gegenüber der PR-Maschinerie politischer Parteien.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 14.7.09
->   Mehr über die Studie
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01.01.2010