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Sternenhimmel über La Palma
Größtes Spiegelteleskop der Welt geht in Betrieb
 
  Es wäre der Traum des Galileo Galilei. Knapp 400 Jahre, nachdem der Begründer der modernen Astronomie mit seinem Fernrohr die vier größten Jupiter-Monde entdeckte, geht an diesem Freitag auf der Kanaren-Insel La Palma das derzeit größte Spiegelteleskop der Welt offiziell in Betrieb.  
Das Gran Telescopio Canarias, genannt Grantecan, ist so stark wie vier Millionen menschliche Pupillen und so präzise, dass es einen Teller Linsen auf dem Mond erkennen kann. Oder, wenn die Erde eine Scheibe wäre, könnte es die Scheinwerfer eines fahrenden Autos in Australien auseinanderhalten.
Aufschluss über Urknall
"Es ist wie ein Wunder", schwärmt Francisco Sánchez, der Direktor des Astrophysikalischen Instituts der Kanaren. Er hatte das Projekt 1987 ins Leben gerufen. Zwölf Jahre später begannen die Bauarbeiten der rund 130 Millionen Euro teuren Anlage.

Sie wird nun in einer feierlichen Zeremonie vom spanischen König Juan Carlos eröffnet werden. Die Sternwarte steht in 2.400 Metern Höhe auf dem Roque de los Muchachos, dem höchsten Gipfel der kleinen Kanaren-Insel.

 
Bild: Gran Telescopio Canarias

"Es herrschte damals große Skepsis", erinnert sich Projektleiter Pedro Alvarez. "Und auch Angst, uns lächerlich zu machen." Denn an ein so kompliziertes Unterfangen hatte sich Spanien zuvor nie herangewagt. Nun aber zählt das Land in diesem Bereich zur internationalen Elite.

Mit dem Grantecan wollen die Wissenschaftler in bisher unerreichte Tiefen des Universums vorstoßen. Die Daten, die sie sammeln wollen, könnten Aufschluss über den Urknall geben, der vor rund 14 Milliarden Jahren stattgefunden haben soll. "Eine weitere Herausforderung ist die Beobachtung von Planeten jenseits unseres Sonnensystems", ergänzte der niederländische Chefastronom René Rutten.
Suche nach der zweiten Erde
Projektleiter Alvarez geht noch weiter: "Es wäre natürlich wunderbar, wenn dieses Teleskop uns dabei helfen könnte, einen Planeten zu entdecken, der unserem ähnelt. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass es auch anderswo im Universum Leben geben kann."

Das neue Teleskop wird auch "Kathedrale der Astronomie" genannt. Die imposante Konstruktion ist mit seinen 45 Metern so hoch wie ein 14-stöckiges Hochhaus. Trotz des Gewichts von 400 Tonnen lässt es sich dennoch mühelos mit der Hand bewegen, da es auf einer dünnen Ölschicht "schwimmt".

Das Herzstück dieses "Galaxien-Jägers" ist ein Spiegel von 10,4 Metern Durchmesser. Der Spiegel allein besteht aus 36 Segmenten und wiegt rund 18 Tonnen. Zur Positionierung des Riesenfernrohres kommen Winkel-Messgeräte zum Einsatz.
Verzerrte Bilder sollen verhindert werden
Teleskope sind wie ein Trichter. Je größer der Spiegel, umso mehr Licht können sie einfangen. Mit einer nutzbaren Fläche von knapp 82 Quadratmetern ist der segmentierte Spiegel des Grantecan rund sechs Quadratmeter größer als die anderer Riesenteleskope. Um die Spiegelkrümmung auszugleichen, die beim Schwenken eines solchen Riesenfernrohrs durch das große Eigengewicht entsteht, arbeitet die Anlage mit aktiver Optik.

Konkret: Die Spiegel sind auf sogenannten Aktoren gelagert, die die Krümmung ausgleichen. Andernfalls würden Abbildungsfehler entstehen - wie etwa das verzerrte Bild, das schlecht geschliffene Spiegel wiedergeben.

Für glasklare Abbildungen soll auch die sogenannte adaptative Optik sorgen. Sie gleicht 200 Mal pro Sekunde die Verzerrungen des Lichts auf seinem Weg durch die Atmosphäre aus. Die Wirkung lässt sich mit einer Münze erklären, die in ein Schwimmbecken geworfen wird: Bewegt sich das Wasser, ist sie kaum zu erkennen. Steht das Wasser dagegen still, ist sie leicht zu sehen.
Das größte seiner Art
Grantecan ist nicht das erste Riesenfernrohr. Die anderen überdimensionierten Teleskope stehen etwa auf dem erloschenen Vulkans Mauna Kea auf Hawaii (Keck I und KeckII), auf dem Mount Graham in Arizona (LBT) oder auf dem Cerro Paranal in Chile, wo die Europäische Südsternwarte (ESO) ein Teleskop betreibt. Das spanische Grantecan aber wird das größte von allen sein, betont Rutten.

Dessen Standort ist zudem in Europa einzigartig. Der klare Himmel über La Palma ist durch ein Gesetz geschützt, das fremde Lichtquellen verbietet. Außerdem weht auf der kanarischen Insel ein gleichmäßiger Wind, der die Arbeit der Sterngucker erleichtet. Nicht umsonst gilt das Grantecan als bestes Instrument zur Erforschung des Himmels auf der Nordhalbkugel. Auf dem Gelände werden bereits andere Sternwarten betrieben. Finanziert wurde das Grantecan größtenteils von der spanischen und der kanarischen Regierung. Beteiligt sind zudem Universitäten aus Mexiko und USA.

[science.ORF.at/dpa, 23.7.09]
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01.01.2010