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Ein Neuron für Marilyn Monroe
Personen haben einen fixen Platz im Gehirn
 
  Unterschiedliche Bilder von Marilyn Monroe, ihr geschriebener oder ihr gesprochener Namen - gleichgültig, auf welche Weise Informationen zu uns gelangen, letztlich werden sie laut einer aktuellen Studie an ein- und derselben Stelle im Gehirn abgebildet.  
Demnach aktiviert ein in verschiedene Reize verpackter Inhalt immer genau die gleiche Gehirnregion, die Aktivität gipfelt dabei in einem einzelnen Neuron.
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Die Studie "Explicit Encoding of Multimodal Percepts by Single Neurons in the Human Brain" von Rodrigo Qu. Quiroga et al. ist im Journal "Current Biology" (23. Juli 2009, DOI: 10.1016/j.cub.2009.06.060) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Vom Sinneseindruck zum kognitiven Abbild
Wie das Gehirn des Menschen Wahrnehmungen verarbeitet und speichert, gehört zu den viel erforschten, aber letztlich nicht restlos geklärten Fragen der Neurowissenschaften.

Grundsätzlich geht man davon aus, dass äußere Reize von den Sinnesorganen aufgenommen und danach schrittweise verarbeitet werden. Das Ganze endet in den Wahrnehmungszentren des Gehirns, wo bestimmte Aktivierungsmuster - also sogenannte mentale Konzepte - bestimmten Inhalten entsprechen. Wie diese Repräsentation konkret aussieht, steht nicht erst seit dem Aufkommen bildgebender Verfahren im Mittelpunkt der Wahrnehmungsforschung.

Eher umstritten ist die Annahme, dass das mentale Abbild eines Inhaltes letzten Endes in einem einzigen Neuron gipfelt. Das hieße, dass es einzelne Nervenzellen gibt, die etwa für Jennifer Aniston oder Brad Pitt stehen.
->   Forscher entdecken "Jennifer-Aniston-Neuron"
Mentales Abbild "gipfelt" in einem Neuron
Die Forscher rund um Rodrigo Quiroga von der University of Leicester haben bereits in einer früheren Studie festgestellt, dass unterschiedliche Bilder ein- und derselben Person - wie Marilyn Monroe in den von Andy Warhol verfremdeten Darstellungen - dasselbe mentale Konzept hervorrufen. Dabei zeigten jeweils einzelne Neuronen des Temporallappens bei einzelnen Personen die höchste Aktivierung (Nature, Bd.435, S. 1102) und zwar unabhängig davon, wie sie abgebildet war.

Das heißt laut den Wissenschaftlern nicht, dass nicht auch andere, umliegende Nervenzellen am mentalen Abbild einer Person oder eines Objekts beteiligt sind. Das einzelne Neuron stelle aber quasi die Spitze der hierarchischen Repräsentation eines Konzeptes dar.
Unterschiedliche Reize - ein kognitives Abbild?
In ihrer aktuellen Studie haben die Forscher nun untersucht, ob auch andere Sinneseindrücke in denselben Neuronen landen. Die Annahme dahinter: Egal, ob man das Bild einer Person wie etwa Oprah Winfrey sieht oder ihren Namen liest oder hört - letztlich sollte im Gehirn immer dieselbe Stelle angesprochen werden, obwohl die Reize natürlich über verschiedene Kanäle hereinkommen und verarbeitet werden.

Um das zu untersuchen, führte das Team Experimente mit sieben Probanden durch, denen aus medizinischen Gründen Elektroden im Gehirn eingesetzt worden waren. Das machte es möglich, tatsächlich die Aktivität einzelner Nervenzellen zu messen.
Jedes Konzept hat seinen festen Platz
In der Testreihe mussten die Teilnehmer unter anderem unterschiedliche Bilder von Oprah Winfrey, Luke Skywalker und Diego Maradona betrachten. Danach bekamen sie die schriftliche Version der prominenten Namen zu lesen oder zu hören. Insgesamt zeichneten die Forscher die Aktivierung an 750 Stellen des Temporallappens auf. 79 zeigten eine signifikante Reaktion bei zumindest einem optischen Reiz.

Diese deutlichen Ausschläge wurden dann mit den Reaktionen der gleichen Nervenzellen auf die geschriebenen und gesprochenen Versionen der Namen verglichen. In den meisten Fällen waren sie ganz ähnlich. Das deutet laut den Forschern darauf hin, dass ein inhaltliches Konzept genau an einer bestimmten Stelle im Gehirn abgespeichert ist und zwar unabhängig davon, über welchen Sinn es wahrgenommen und vorverarbeitet worden ist.

"Offenbar können einzelne Neuronen ein relativ abstraktes Konzept kodieren, das von unterschiedlichen Sinneseindrücken angesprochen werden kann", so Quiroga.
Ein Lexikon im Gehirn
Überprüft haben die Wissenschaftler rund um Quiroga diese Tatsache aber nicht nur mit berühmten Personen. In einer der Testreihen wurde auch die neuronale Reaktion auf die Forscher selbst gemessen. Nach einigen Tagen konnten demnach fünf einzelne Neuronen identifiziert werden, die auf mehrere den Probanden vorher unbekannte Wissenschaftler reagierten. Vermutlich sei das abstrakte Konzept eines "an dieser Studie beteiligten Forschers" in diesem Bereich angelegt worden.

Das spreche dafür, dass nicht nur lang abgelegte Informationen einen spezifischen Platz im Hirn besetzen. Offenbar entwickelt das Gehirn recht schnell eine mentale Darstellung neuer Inhalte, die ähnlich wie in einem Lexikon an einer bestimmten Stelle abgelegt werden, abrufbar sei es dann wahlweise über optische oder akustische Kanäle.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 24.7.09
->   Rodrigo Quiroga
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01.01.2010