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Synchronzwinkern im Kinosaal  
  Wenn mehrere Menschen einen Film sehen, zwinkern sie oft genau an den gleichen Stellen. Den Grund haben japanische Forscher entdeckt: Wir schließen nur in jenen Momenten die Augen, in denen uns keine wichtigen Informationen entgehen.  
Zwinkern beim Blick auf leere Straßen
Manchmal kann Arbeit für die Wissenschaft sehr unterhaltsam sein. Etwa dann, wenn Versuchspersonen ein Video des englischen Komikers Rowan Atkinson betrachten. Als Mr. Bean verschläft der Komiker einen Zahnarzttermin, springt mit dem Pyjama ins Auto, wechselt während der Fahrt die Kleidung und putzt sich vor dem Seitenspiegel die Zähne.

Menschen, die diesen Film sehen, zwinkern häufig zeitgleich bei den gleichen Szenen, und zwar immer dann, wenn nichts Entscheidendes passiert, wie Wissenschaftler um Tamami Nakano von der Juntendo-Universität in Tokio in den "Proceedings of the Royal Society B" berichten (Abstract der Studie).

Am häufigsten schließen die Zuschauer die Augen, wenn der Hauptakteur nicht im Bild ist; etwa wenn man ein stehendes Auto sieht, wenn ein Auto sich vorhersehbar bewegt oder bei leeren Straßen. Weitere beliebte Momente zum Ausrasten der Augen sind Szenen, an denen ein Schauspieler gerade eine Aktion beendet hat, am Ende einer weitwinkeligen Einstellung oder wenn ein Bild nahezu ident nochmals auftaucht.
Ein Zehntel des Gesehenen geht verloren
Wer einen 90-minütigen Film betrachtet, der verpasst durchschnittlich neun Minuten an visueller Information allein durchs Zwinkern. Zwar entgehen einem mit jedem Lidschlag nur bis zu 400 Millisekunden, doch in Summe fehlen dadurch zirka zehn Prozent.

Beim Betrachten eines Filmes wäre es daher naheliegend, dass wir immer beim Wechsel zwischen zwei Szenen zwinkern. Bei langen Einstellungen wird dies jedoch schwierig und die Augen müssen auch innerhalb einer Szene geschlossen werden.
Unbewusster Mechanismus
Die Forscher glauben, dass es einen Mechanismus gibt, der das Zwinkern steuert und die dafür günstigsten Augenblicke erkennt, sodass möglichst wenig wichtige Information verloren geht. Ältere Studien hatten bereits gezeigt, dass auch die Aktivität der Nervenzellen in der Gehirnrinde zwischen mehreren Personen synchronisiert wird, wenn diese den gleichen Film sehen. Nakano und seine Kollegen vermuten, dass der Mechanismus, der das Zwinkern beim Filmschauen steuert, in einem Teil der Gehirnrinde, dem posterior-parietalen Kortex, liegen dürfte.

Um nichts zu verpassen, zwinkerten die Versuchspersonen beim Betrachten des Videos zudem seltener - durchschnittlich nur zirka 17 Mal pro Minute statt den zirka 24 Mal während einer Ruhephase beim Betrachten des leeren Bildschirms.
Wachsame Augen
Damit uns das ständige Zwinkern nicht stört, werden im Gehirn kurz vor dem Schließen der Augen jene neuronalen Verbindungen unterdrückt, die optische Reize verarbeiten. Dadurch zwinkern wir quasi unbemerkt. Die verloren gegangene Information wird dadurch aber keineswegs ersetzt oder ergänzt. Darum ist es manchmal entscheidend, in den Momenten zu zwinkern, in denen keine wichtige visuelle Information benötigt wird.

So wird etwa Zwinkern generell unterdrückt, wenn wir bei einer Aufgabe visuell besonders aufmerksam sein müssen. Unbewusst zwinkern wir meist kurz vor oder nach den entscheidenden Momenten, für die wir unsere Augen brauchen. Ältere Studien haben herausgefunden, dass wir zum Beispiel beim Lesen spontan eher beim Blick auf ein Satzzeichen die Augen schließen.
Normales Zwinkern bei monotonen Filmen
Zum Vergleich bekamen die Probanden auch monotone Videos von Landschaften oder tropischen Fischen gezeigt. In diesen Filmen wechselten zwar die Szenen, es wurde aber keine Geschichte erzählt.

Auch wurde den Versuchspersonen ein Harry-Potter-Hörbuch vorgespielt. In beiden Fällen - beim visuellen Reiz ohne Geschichte und der Geschichte ohne Bilder - zwinkerten die Menschen nicht synchron.

Mark Hammer, science.ORF.at, 29.7.09
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01.01.2010