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Luft anhalten kann Hirnschäden verursachen  
  Apnoetaucher können ihre Atemluft über zehn Minuten lang anhalten. Forscher haben Hinweise gefunden, die vermuten lassen, dass dies das Hirn schädigen könnte. Ob auch auf Dauer, bleibt vorerst noch offen.  
Bei Tauchern, die für mehrere Minuten ihre Luft anhielten, stellten Forscher das Protein S100B in erhöhter Zahl im Blut fest. S100B ist ein Marker, der Hirnschäden anzeigt.

Die erhöhte Konzentration des Proteins war allerdings nur von kurzer Dauer. So bleibt die Frage offen, ob langes Luft anhalten auch Langzeitschäden im Hirn verursachen könne, berichten Johan P.A. Anderson, Mats H. Linèr und Henrik Jönsson von der Lund Universität in Schweden in einer Studie, die im Fachmagazin "Journal of Applied Physiology" publiziert wurde.

"Die Ergebnisse zeigen, dass ausgedehnte, freiwillige Apnoe das zentrale Nervensystems beeinflusst", sagen die Forscher. Die Ausschüttung von S100B ins Blut lege außerdem nahe, dass langes Luft anhalten die Blut-Hirn-Schranke unterbricht, so die Wissenschaftler weiter.
Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen
Apnoetaucher verwenden kein Sauerstoffgerät, sie müssen mit nur einem Atemzug auskommen. Lange Zeit dachten Tauchmediziner, es sei für Menschen unmöglich, ohne Atemgerät tiefer als 50 Meter zu tauchen. Apnoe führt häufig zu Sauerstoffmangel im Blut, erhöhtem Blutdruck, verlangsamtem Puls und anderen körperlichen Reaktionen.

Dies gibt den Forschern Anlass zur Sorge, schließlich wurden zwischen 1998 und 2004 in sechs internationalen Bewerben (Kategorie statisches Apnoetauchen) zehn Prozent der Wettbewerbsteilnehmer disqualifiziert, nachdem sie entweder die Kontrolle über ihre Motorik oder das Bewusstsein verloren.

Bei diesem Wettbewerb liegen die Teilnehmer mit dem Gesicht nach unten regungslos im Wasser. Der Weltrekord liegt bei über elf Minuten. Beim Tieftauchen wird der Atem zwischen vier und sieben Minuten lang angehalten.
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Apnoetauchen
Apnoe kommt aus dem Griechischen und heißt "Nichtatmung", es bezeichnet den Zeitraum zwischen Ein- und Ausatmen. Apnoetauchen ist die älteste Art zu tauchen und wird seit dem Altertum als Beruf ausgeübt. Im antiken Japan wurden Taucherinnen, sogenannte "Amas" (Meerjungfrauen), zur Suche nach Perlen und zur Pflege der Muschelfarmen eingesetzt.
Als Wettbewerb etablierte sich das Freitauchen erst in den 1930er Jahren, offizielle Rekordversuche gibt es seit rund drei Jahrzehnten. Der erste Mensch, der über 100 Meter tief tauchte, war 1976 Jacques Mayol. Den aktuellen Rekord von 214 Metern hält der Österreicher Hermann Nitsch.
->   Wikipedia über Apnoetauchen
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Das Experiment
Beim Experiment wurden neun Wettkampftaucher mit sechs Personen verglichen, die beschränkte Erfahrungen mit Apnoetauchen hatten. Die Teilnehmer mussten sich in eine Koje legen und den Atem so lange wie möglich anhalten. Die Taucher durften dieselben Vorbereitungen treffen wie bei einem Tauchgang, wie etwa Hyperventilation und Auffüllen der Lunge mit so viel Luft wie möglich.

Die Forscher nahmen Blutproben aus den Arterien vor dem Luft anhalten, danach, und mehrmals in den darauffolgenden zwei Stunden. Gemessen wurden auch die Blutgase. Die Kontrollgruppe hielt weder die Luft an, noch machten sie Aufwärmübungen, sondern lag während des gesamten Experiments ruhig auf dem Rücken.
Die Ergebnisse
Die durchschnittliche Apnoe-Zeit betrug fünf Minuten, 35 Sekunden. Das Protein S100B, das Hirnschäden anzeigt, erhöhte sich bei sieben von neun Testpersonen, die Kontrollgruppe zeigte keinen Anstieg. Im Durchschnitt stieg S100B zehn Minuten nach der Apnoe um 37 Prozent, nach zwei Stunden waren die Werte bei allen wieder normal.

Das Protein kommt eigentlich nur in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit vor und gelangt bei Hirnschädigungen (z.B. Schlaganfälle und Schädel-Hirn-Traumen) in den Blutkreislauf.

Die Mengen an S100B waren stets unter denen, mit denen ein Hirnschaden in Verbindung gebracht wird. Auch war die Erhöhung nur von kurzer Dauer, verglichen mit Personen, die Verletzungen im Hirn haben. Während die Taucher schnell auf den normalen Stand zurückgekehrt waren, erreicht S100B bei hirntraumatisierten Personen erst nach 24 Stunden den Maximalwert.

Aufgrund dieser Kurzlebigkeit der Erhöhung von S100B schließen die Forscher, dass die Blut-Hirn-Schranke durchbrochen wird, wodurch das Protein von der Hirnflüssigkeit in den Kreislauf gelangt.
Langfristige Studie an Apnoetauchern empfohlen
Die schwedischen Forscher befürchten, dass der wiederholte Sauerstoffmangel, dem die Taucher bei Trainings und Bewerben ausgesetzt sind, zu bleibenden Hirnschäden führen könnte.

Die Meinungen darüber gehen allerdings auseinander, denn frühere Studien lieferten widersprüchliche Ergebnisse. Die Forscher empfehlen daher, Apnoetaucher langfristig von Karrierebeginn an zu begleiten.

[science.ORF.at, 6.8.09]
->   Herbert Nitsch
 
 
 
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01.01.2010