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Forscher: Juschtschenko wurde vergiftet  
  Fünf Jahre nach der Dioxinvergiftung des damaligen ukrainischen Oppositionsführers und heutigen Präsidenten Viktor Juschtschenko, haben Forscher nun erstmals medizinische Daten des Falles präsentiert.  
Juschtschenko schied das Gift demnach rascher aus als erwartet. Laut einer Mitteilung der Schweizer Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA muss - weil lediglich reines TCDD gefunden wurde - von einer absichtlichen Vergiftung ausgegangen werden. Das im Körper Juschtschenkos nachgewiesene TCDD (2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin) ist das giftigste der über 2.000 bekannten Dioxine.

Das Dioxin sei so rein gewesen, dass es definitiv in einem Labor produziert worden sein muss, heißt es in der nun veröffentlichten Studie der Schweizer Forscher. Der Körper Juschtschenkos hat laut EMPA innerhalb von nicht einmal 16 Monaten das Dioxin zur Hälfte abgebaut. Bisher sei man von einer Halbwertszeit von fünf bis zehn Jahren ausgegangen.
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Die Studie "2,3,7,8-tetrachlorodibenzo-p-dioxin (TCDD) poisoning in Victor Yushchenko: identification and measurement of TCDD metabolites" von O. Sorg et al. ist in "The Lancet" (DOI:10.1016/S0140-6736(09)60912-0) erschienen.
->   Zum Abstract der Studie
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Höhere Enzymproduktion
Die hohe Dosis habe den Körper offenbar veranlasst, die Produktion von Enzymen zu erhöhen, welche für den Dioxin-Abbau verantwortlich sind. Die Dioxin-Konzentration, die Ende 2004 in Juschtschenkos Blut gefunden worden war, lag 50.000 Mal höher als jene in der normalen Bevölkerung.

Der größte Teil des Giftes verließ den Körper über den Verdauungstrakt, wie die Forscher berichten. Dem Team gelang es zudem, erstmals zwei Abbauprodukte des Dioxins im Stuhl, Blut und Urin zu identifizieren und zu quantifizieren. Für die Untersuchungen ließ sich Juschtschenko vom Universitätsspital Genf über einen Zeitraum von drei Jahren über 100 Proben von Blut, Schweiß, Stuhl, Hautproben und ähnlichem entnehmen.

Von dem in den drei Untersuchungs-Jahren abgebauten Dioxin verließen rund 60 Prozent den Körper Juschtschenkos in seiner ursprünglichen Form. Die restlichen 40 Prozent wandelten sich zu Abbauprodukten um. Bei Dioxinvergiftungen müssten deshalb auch Abbauprodukte im Auge behalten werden, schließen die Forscher daraus. Dioxine sind Gifte, die als Nebenprodukte bei Verbrennungsprozessen beispielsweise in der Müllverbrennung entstehen.
Eindeutige Vergiftungssymptome
Juschtschenko erkrankte im Wahlkampf 2004 plötzlich schwer. Erst nach drei Monaten fanden Ärzte heraus, dass es sich um eine Dioxinvergiftung handelte. Auf die richtige Spur führte die Mediziner dabei die Chlorakne im Gesicht des Politikers, erkennbar an auffälligen Geschwülsten und Zysten. Juschtschenko musste sich rund 25 hautchirurgischen Eingriffen unterziehen. Er wurde nach seiner Erkrankung unter anderem im Wiener Spital Rudolfinerhaus behandelt.

Wer für die Vergiftung verantwortlich ist, konnte bisher nicht geklärt werden. In der Ukraine wird oft Russland verantwortlich gemacht, weil Juschtschenko bei den Wahlen 2004 gegen einen von Moskau unterstützten Bewerber antrat. Außerdem gehört Russland zu den wenigen Ländern, die Dioxin nach der Formel produzieren, wie es bei Juschtschenko gefunden wurde.

[science.ORF.at/APA/sda, 5.8.09]
->   EMPA
 
 
 
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01.01.2010